25.09.2025

Zurich Film Festival

«Die Amerikaner lieben Owners, also Besitzer»

Am Donnerstag startet die 21. Ausgabe des Zurich Film Festival. Im Juli hat eine Eigentümergruppe rund um Festivaldirektor Christian Jungen das ZFF von der NZZ-Gruppe übernommen. Im Interview spricht der 52-Jährige über seine Motivation, das finanzielle Risiko und die Neuerungen am diesjährigen Festival.
Zurich Film Festival: «Die Amerikaner lieben Owners, also Besitzer»
«Mehrere Interessenten haben mir vorgeschlagen, ein Management-Buy-out zu machen. Und irgendwann habe ich mir gesagt: Also, wenn mir das alle zutrauen, sollte ich es mir auch zutrauen», so ZFF-Festivaldirektor Christian Jungen. (Bild: zVg)

Herr Jungen, Sie haben Anfang Juli an der Spitze einer neuen Eigentümergruppe von der NZZ das Zurich Film Festival (ZFF) erworben (persoenlich.com berichtete). Was hat sich dadurch für Sie verändert?
Für mich fühlt sich die Arbeit gleich an wie vorher: Ich will mit unserem Team das bestmögliche Filmprogramm präsentieren, neue Talente entdecken und Stars nach Zürich bringen. Aber die Aussenwahrnehmung ist eine andere: An Veranstaltungen klopfen mir nun viele Unternehmer auf die Schultern und sagen: «Welcome to the Club!» Und auch bei den Amerikanern – ich stehe ja viel in Kontakt mit Hollywood – ist das Standing nun ein anderes: Die lieben Owners, also Besitzer. Aber verändert hat sich natürlich, dass ich jetzt «skin in the game» habe, weil ich mit dem eigenen Geld ins Risiko gehe – wie meine vier Mitbesitzer auch.

War die NZZ als Eigentümerin für das ZFF von Vor- oder Nachteil?
Beides. Die NZZ hat geholfen, das Start-up zu professionalisieren und es auf ein höheres Level zu bringen. Sie hat auf viele bestehende Partner attraktiv gewirkt: Sie sahen sich gerne auf Augenhöhe mit den drei Buchstaben des Weltblatts. Aber die NZZ polarisiert. Firmen, die im Wirtschaftsteil des Blattes kritisch gewürdigt wurden, haben uns das spüren lassen. Und bei der Suche nach Soft Money, zum Beispiel von Stiftungen, war sie ein Handicap: «Ihr gehört ja der reichen und gewinnorientierten NZZ, also können wir euch nicht unterstützen», hiess es da oft. Nun, da wir unabhängig sind, aber die NZZ als Main Partner und Medienpartner haben, wird es wohl so positiv, wie es bisher nie war. Für beide: fürs ZFF und für die NZZ.

«Wir haben den Zuschlag erhalten, auch, weil wir eine Zürcher Lösung sind»

Wann genau haben Sie sich zum Kauf entschieden? Sie gehen doch nun ein beträchtliches Risiko ein.
Die NZZ hat Ende letzten Jahres einen professionellen Verkaufsprozess gestartet mit einer M&A-Boutique. Ich half beim Zusammenstellen des Dossiers und machte dann als Festival Director die Verkaufspräsentationen für potenzielle Interessenten. Dabei wurde ich immer wieder gefragt, ob ich denn bleibe, sie könnten zwar Sponsoring, Marketing und Event machen, aber es brauche den bisherigen Direktor und sein Programmteam. Mehrere Interessenten haben mir sogar vorgeschlagen, ein Management-Buy-out zu machen. Und irgendwann habe ich mir gesagt: Also, wenn mir das alle zutrauen, sollte ich es mir auch zutrauen, und habe dann ein Konsortium mit dem Finanzexperten Marek Skreta, dem Publizisten und langjährigen ZFF-Präsidenten Felix E. Müller, dem Unternehmer und Hotelier Max Loong und unserer Vizedirektorin Reta Guetg zusammengestellt. Wir haben dann den Zuschlag erhalten, auch, weil wir eine Zürcher Lösung sind.

Wie viele Leute beschäftigt das ZFF?
Ganzjährig sind bei uns 27 Leute angestellt. Wenn der Event läuft, stehen aber über 600 Personen im Einsatz, unter ihnen über 500 Volontäre. Ich bin jedes Jahr wieder von neuem berührt, wie viele Leute freiwillig einen Beitrag zum ZFF leisten. Dabei handelt es sich nicht nur um Studierende, wir haben Flight-Attendants, Pensionierte oder eine Investmentbankerin, die im Sinne von «der Gesellschaft etwas zurückgeben» ein paar Tage fürs Filmfestival im Einsatz stehen.

Wird sich bei der diesjährigen Austragung bereits etwas ändern?
Wir haben unseren wichtigsten Signature-Event, die Eröffnung, aufgewertet. Besucher und Stars kommen vom General-Guisan-Quai her die Treppe hoch ins Kongresshaus und machen dann den Photo-Call mit Blick auf den Zürichsee. Das gibt Fotos wie in Cannes oder Venedig. Und die von Max Loong moderierte Show wird unterhaltsamer: weniger Reden, mehr Einspieler. Völlig neu wird auch der Anlass «Inside ZFF» für die Gemeinde- und Kantonsräte. Ich mache mit ihnen einen Filmspaziergang durch den Kreis 4, wo legendäre Klassiker des Schweizer Films gedreht wurden. Den Spaziergang haben Studierende der Filmwissenschaft der Uni Zürich konzipiert. Danach schauen alle miteinander einen Film aus der Sektion Hashtag, die dieses Jahr dem Thema «Save Democracy» gewidmet ist. Und generell wird es mehr Partys und Dinners geben, zum Beispiel ein «Screen Impact»-Dinner, bei dem sich CEOs von Topunternehmen mit Filmschaffenden austauschen.

Auf welche Schwerpunkte setzen Sie dieses Jahr?
Der Schweizer Film ist stark vertreten. «Stiller» von Stefan Haupt ist der Schweizer Film des Jahres. Der Roman von Max Frisch galt lange als unverfilmbar. Wim Wenders hat 1980 schon einen Anlauf genommen und zwecks Inspiration ein halbes Jahr lang im «Baur au Lac» gelebt, ehe er aufgab, weil er des Stoffs nicht Herr wurde. Stefan Haupt hat das Buch kongenial adaptiert. Ein Highlight ist auch der Dokumentarfilm «Voice of my People» über den Wahlkampf von Islam Alijaj, der als erster Politiker mit Cerebralparese für die SP in den Nationalrat gewählt wurde. Der Film zeigt, wie die Kampagne der Agentur Farner aufgebaut war und wie Influencer wie Kafi Freitag die Geschichte von Islam erzählten. Ein Film, der sicher auch in den Medien viel zu reden geben wird, weil er auch den Umgang der SP mit dem Thema Diversität und Inklusion zur Sprache bringt.

Die Filmbranche wurde in den vergangenen Jahren wegen Streiks, KI und Corona stark durchgeschüttelt. Wie ist ihr Zustand momentan?
Es ist ein neuer Optimismus spürbar: Die Hollywoodstudios setzen wieder stärker aufs Kino – Amazon zum Beispiel wird 2026 mindestens zwölf Filme ins Kino bringen, und auch Paramount refokussiert sich nach der Übernahme durch David Ellison wieder aufs Kino. Und dank der zusätzlichen Gelder der Lex Netflix entstehen in der Schweiz vermehrt publikumsträchtige Filme wie «Game Over». Fairerweise muss man jedoch sagen, dass die SRG letztes Jahr mit «Tschugger – Der lätscht Fall» den erfolgreichsten Kinofilm des Jahres produziert und am ZFF lanciert hat. Zudem hat sie vielen Firmen zur Professionalisierung verholfen, die nun ohne Gelder vom Leutschenbach reüssieren.

«Die Budgets der Firmen für Kultursponsoring sind wie der Schneemann an der Sonne»

Wie sieht die finanzielle Situation des ZFF aus? Spüren Sie auf dem Sponsorenmarkt eine wirtschaftliche Verunsicherung?
Die Budgets der Firmen für Kultursponsoring sind wie der Schneemann an der Sonne: Sie werden immer kleiner. Es ist herausfordernd geworden, Gelder zu finden, und man muss für die Beiträge immer mehr Gegenleistungen erbringen. Trumps Zölle kamen da zu einer Unzeit und helfen natürlich nicht. Aber ich spüre auch viel Solidarität von Unternehmern. Georges Kern hat sich spät und grosszügig entschieden, mit Breitling Partner zu bleiben, und Roberto Martullo ist mit Künzli Schuhe ebenfalls noch hinzugekommen.

Wer sind die wichtigsten Sponsoren, die Sie dieses Jahr haben?
Unsere drei Main-Partner sind UBS, Mercedes-Benz und die NZZ – Letztgenannte bleibt mindestens noch drei Jahre dabei, was ein starkes Bekenntnis zum ZFF ist und was mich als ehemaligen NZZ-Mann natürlich besonders freut. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir nächstes Jahr vier Main-Partner haben werden. Es laufen viele Gespräche, und Doris Fiala, unsere neue Präsidentin, hat ein grosses Netzwerk in der Privatwirtschaft und ist eine grosse Hilfe.

Worauf freuen Sie sich beim diesjährigen ZFF am meisten?
Einer meiner Lieblingsfilme ist «Il Maestro» von Andrea Di Stefano. Es geht um einen ehemaligen Profi-Tennisspieler (Pierfrancesco Favino), der einen kleinen Jungen trainieren und auf einer Turnierreise durch Italien zum Topspieler entwickeln soll. Doch der Maestro ist ein Lebemann, der abends gerne das Tanzbein schwingt und Frauen verführt. Sein Schützling lernt auf der Reise wenig über den Sport, aber viel über das Leben. Ein Bijou von einem Film, der nicht nur eine Liebeserklärung ans Tennis ist, sondern auch an die italienische Provinz.


Das ausführliche Interview mit Christian Jungen finden Sie in der aktuellen persönlich-Printausgabe.


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KOMMENTARE

Victor Brunner
26.09.2025 07:37 Uhr
Artikel: "Völlig neu wird auch der Anlass «Inside ZFF» für die Gemeinde- und Kantonsräte". Der Spaziergang kann für die SteuerzahlerInnen von Stadt und Kanton teuer werden. Jungen schwärmt von den 2 Hauptsponsoren und vergisst die öffentliche Hand die das ZFF massiv unterstützt, respektlos!
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