Herr von der Heide, wie erleben Sie momentan die ESC-Stimmung in Basel?
Ich bin bereits vor einer Woche in Basel an der grössten Ü60-Disko der Welt aufgetreten. Die Veranstaltung war ausverkauft, die Stimmung super. Anschliessend war ich bei der britischen Botschaft zu einem Empfang eingeladen, wo die britische Sängerin ihr Lied vorstellte. Auch hier eine fantastische Stimmung. Selbst der schwedische Botschafter war anwesend. Zusammenfassend muss man sagen: Basel freut sich auf den ESC. Viele Menschen sind mit Fahnen unterwegs und zelebrieren so den ganzen Anlass.
Was hat Sie dabei am meisten überrascht?
Basel bietet ein breites Programm unter dem Titel «United By Music» an. Das ist wirklich eine sehr positive Überraschung, die ich so nie erwartet hätte. Ich bin pausenlos unterwegs, gebe Konzerte, werde eingeladen oder interviewt. Es gibt viele kostenlose Konzerte, die eigentlich gar nichts mit dem ESC zu tun haben. Ich selber habe eines auf dem Barfüsserplatz, also im Herzen von Basel. Das ist für mich eine grosse Anerkennung.
«Dies steht für mich im krassen Gegensatz zum Motto des ESC ‹United By Music›»
Ihre beiden Freundinnen Paola und Sandra Studer haben an diesem ESC einen prominenten Auftritt. Sind Sie mit ihnen in Kontakt? Wie geht es ihnen?
Ja, wir stehen in Kontakt. Es freut mich sehr, dass sowohl Sandra als auch Paola am Final auftreten werden. Sandra hat dabei als Moderatorin einen der Hauptparts. Ich weiss, sie wird einen fantastischen Job machen. Und bei Paola schliesst sich ein Kreis: Ich habe sie genau vor 45 Jahren erstmals gesehen, als sie beim ESC «Cinéma» sang und damit den grossartigen vierten Rang belegte. Das weckte in mir den Wunsch, Sänger zu werden.
Nemo hat die israelische Teilnahme am Festival kritisiert. Welchen Einfluss hat diese Aussage auf die ganze Veranstaltung?
Ja gut, auf die Veranstaltung hat diese Aussage hoffentlich keinen grossen Einfluss. Die EBU, der Zusammenschluss aller öffentlich-rechtlichen Sender Europas und Veranstalterin des ESC, hat Nemo anschliessend das Recht auf freie Meinungsäusserung zugestanden. Und trotzdem hat mich – diplomatisch ausgedrückt – Nemos Äusserung befremdet. Meines Erachtens wäre sie nicht notwendig gewesen. Gerade bei der Eröffnungsfeier am Sonntag hat man bereits etwas von der aufgeladenen politischen Lage und den Protesten mitbekommen. Nemo will eine israelische Sängerin ausschliessen, die das Massaker vom 7. Oktober überlebt hat. Dies steht für mich im krassen Gegensatz zum Motto des ESC «United By Music».
Sie traten vor 15 Jahren in Oslo mit dem Titel «Il pleut de l’or» an. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren eigenen Auftritt?
Ich feiere momentan mein 15-jähriges «Il pleut de l’or»-Jubiläum und muss deswegen sehr viele Interviews geben. An den Auftritt in Oslo selber mag ich mich gar nicht mehr richtig erinnern, er war wohl viel zu kurz. Was ich noch weiss, dass wir im Vorfeld sehr viel geprobt haben. Man steht bei einem ESC unter einem enormen Druck, wobei alles ein bisschen wie im Film abläuft. Selbstverständlich habe ich meinen Auftritt zwischenzeitlich etliche Male auf YouTube angeschaut.
«Es wäre traurig, wenn ich nach 15 Jahren immer noch enttäuscht wäre»
Das Resultat war nicht so wie erhofft. Rückblickend gesehen, was überwiegt: die Freude der Teilnahme oder die Enttäuschung?
(lacht) Es wäre traurig, wenn ich nach 15 Jahren immer noch enttäuscht wäre. Ganz klar dominiert die Freude. Der ESC hat mir doch einige Auftritte mit meiner Band in anderen Ländern wie Portugal, der Ukraine oder Frankreich ermöglicht. Gerade vor drei Wochen bin ich in Amsterdam beim ESC-Anlass aufgetreten. Man gehört mittlerweile einer grossen ESC-Familie an. Ich war übrigens in Oslo mit meinen damals 39 Jahren der älteste Teilnehmer. Momentan scheint es mir, dass die älteren Interpretinnen und Interpreten auf der ESC-Bühne nicht so gefragt sind.
Wer ist Ihr Favorit für dieses Jahr?
Ich habe dieses Jahr keinen klaren Favoriten. Letztes Jahr war Nemo eigentlich gesetzt, dieses Jahr setzen die Buchmacher auf Schweden. Ich glaube aber, dass es bessere Songs gibt, beispielsweise derjenige der Niederlande. Obwohl ich gehört habe, dass dieser live nicht so gut tönt wie ab Band. Mein absoluter Geheimtipp ist aber der österreichische Beitrag.
Wo schauen Sie sich das Final an?
Live im Stadion. Zuvor bin ich noch beim Westschweizer Radio und bei SRF 3 zu Gast. Meine Basler Woche ist also völlig durchtaktet.