13.10.2025

Thomas Wildberger

«Die mit den guten Ideen fallen auf»

Nach vier Jahren bei Prophet verlässt der Kommunikationsexperte die internationale Beratungsagentur. Der aktuelle ADC-Präsident sondiert bis Ende Jahr seine Optionen und will dabei «das Selbermachen» in den Fokus stellen. Im Interview erklärt Thomas Wildberger seine Pläne für die Zukunft und seine Motivation, wieder näher an der kreativen Arbeit zu sein.
Thomas Wildberger: «Die mit den guten Ideen fallen auf»
«Mir hat das Ideenmachen schon als CEO von Publicis gefehlt, doch durch die Doppelfunktion als Kreativchef konnte ich mich ein bisschen vorbeimogeln am Excel-Leben», so Werber Thomas Wildberger. (Bild: Nathan Beck)

Herr Wildberger, Sie verlassen Prophet. Was steht jetzt auf Ihrer Agenda?
Ich gehe in eine Sondierungsphase und ihr seht mich als Punkt am Horizont verschwinden, um ein Stück weiter hinten mich selbst zu finden. So hat mein Namensvetter Thomas D. das einst in einem Song passend ausgedrückt. Es kann sehr gut sein, dass ich mich als Selbstständiger wiederfinde, aber ich möchte nichts überstürzen. Ich führe noch diverse Gespräche und am Ende werde ich mich für den nächsten Schritt entscheiden.

Worauf werden Sie sich künftig fokussieren?
Das Selbermachen. Man kann ja nicht aus seiner Haut. Mir hat das Ideenmachen schon als CEO von Publicis gefehlt, doch durch die Doppelfunktion als Kreativchef konnte ich mich ein bisschen vorbeimogeln am Excel-Leben. In der Beratungswelt musste ich mir eingestehen, dass die reine kreative Arbeit eindeutig zu kurz kommt. Dort war ich am glücklichsten bei Projekten für Kunden, wenn Ideen gefragt waren. Beispielsweise als wir für den deutschen Autobahnraststättenmonopolisten Tank & Rast das Rebranding für ihre Gastromarke sowie eine Elektrotankstellenmarke kreiert haben. Als wir für die UBS die Positionierung «Banking is our craft» entwickelt haben. Oder zuletzt für 20 Minuten, wo die Idee «Lesen macht sexy» am Anfang kam und darauf basierend die komplette Positionierung der Marke inklusive  Markenauftritt entstanden ist. Bei all diesen Projekten habe ich stets auf mein Netzwerk aus den besten freien Kreativen der Schweiz zurückgreifen können.

«Die geschärfte Positionierung in Richtung Gen Z funktioniert»

Sie erwähnen den neuen 20-Minuten-Markenauftritt. Wie waren die ersten Reaktionen?
20 Minuten hat die allermeisten überrascht mit dieser erfrischenden Weiterentwicklung der Marke. Es sind ja erst ein paar Tage seit dem Launch vergangen, aber man kann bereits sehen, dass die geschärfte Positionierung in Richtung Gen Z funktioniert. Auch das Designsystem wird sehr gut aufgenommen, sowohl von den Usern als auch von der Redaktion. Bei der Kampagne «Lesen macht sexy» ist es schlau gewesen, auf diese aktive Formulierung zu setzen, dass wir den Lesenden in den Mittelpunkt stellen und nicht das Medium. Lesen macht etwas mit uns – und zwar in doppelter Hinsicht. Erstens sieht man besser aus beim konzentrierten Lesen und zweitens wird man zum besseren Gesprächspartner dank der richtigen Lektüre. Die Community hat sofort gemerkt, dass die Kampagne ein Kompliment ist an sie. Und die Redaktion tut alles dafür, damit die Inhalte den Mehrwert des Lesens befeuern.

Und haben Sie bereits Kunden, die Sie künftig betreuen werden?
Ja, es gibt Projekte für Kunden, mit denen ich in den letzten Jahren schon gearbeitet habe. Ich nutze die Zeit aber auch ein bisschen für mein Ehrenamt als ADC-Präsident. 2026 feiert der Club seinen 50. Geburtstag und wir müssen die Weichen stellen für ein Jubiläumsjahr als Fingerzeig für die nächsten 50 Jahre. Von daher ist das Timing ideal.

Wie beurteilen Sie als ADC-Präsident den Zustand der Werbebranche?
Ich bin seit über 30 Jahren dabei und in entscheidender Hinsicht ist es nach wie vor der gleiche Zustand: Die mit den guten Ideen fallen auf, die anderen fallen ab. Welcher Philosophie man folgt, entscheidet am Ende der Auftraggeber. 

Was sagen Sie sich als ehemaliger Prophet für Ihre nahe Zukunft voraus?
Bei Publicis haben sich die Wege mit Prophet gekreuzt und ich war fasziniert von der Expertise. Ich hatte die Eingebung, dass es ein Vorteil ist, sich in diesem Bereich gründliches Know-how anzueignen, also wurde ich 2021 Partner bei Prophet – und gleichsam vermutete ich, dass ich nicht als Unternehmensberater in Rente gehen werde. Nun kann ich diese neu gewonnenen Kenntnisse einfliessen lassen in meine Gesamtexpertise, denn Kreative haben die Fähigkeit «end to end» zu denken. Ich kann fortan Kunden in einer ganzheitlichen Weise betreuen, bei der die Markenstrategie eine viel grössere Rolle spielt, als ich es als Werber je zu vermuten vermochte. Egal in welchem Stadium die Idee eingebracht wird, Hauptsache es gibt eine.

«Grundsätzlich tut Kreativität der Beraterbranche gut»

Sie haben als erfolgreicher Kreativer bei Prophet in den vergangenen Jahren vor allem mit Strategen zusammengearbeitet. Was sind Ihre Erfahrungen dabei?
Kreative lieben das Neue. Darum war der Schritt für mich konsequent: Ich bin an die Schnittstelle gegangen zwischen Strategie und Umsetzung, weil ich selber diese Schnittstelle in mir drin habe. Berater machen eine Strategie, daraus leitet man einen Markenauftritt ab, der die Strategie widerspiegelt, und dann aktiviert man die Marke kreativ. Das kann im Idealfall alles aus einer Hand passieren. Neu war für mich diese akribische strategische Arbeit hin zur Idee. Oder das strategische Abklopfen einer Idee in alle Richtungen, falls sie zuerst kam. Ich habe gelernt, dass eine Strategie genauso unique sein sollte wie die Idee, denn aus einer Standardstrategie entsteht nichts Einzigartiges. Grundsätzlich tut Kreativität der Beraterbranche gut. Aber die Welt eines freigeistigen, idealistischen Kreativen ist manchmal unergründlich und das irritiert viele, die alles analytisch nachvollziehbar und nach Marketingregeln aufbauen. In beiden Welten reden wir von Kreativität, verstehen darunter aber unterschiedliche Dinge, sodass ich mir manchmal doch vorkam wie ein Englishman in New York.

Bei Publicis und Prophet waren Sie beide Male in grossen internationalen Unternehmen tätig. Jetzt sind Sie erstmal auf sich selbst gestellt. Was ändert sich für Sie konkret?
Der Kreis der Personen, mit denen man zusammenarbeitet, ist sowieso immer überschaubar. Je Projekt kamen auch mal Top-Freelancer zum Einsatz und wir arbeiteten in kleinen Teams. Nach meinem Eindruck schwören auch immer mehr Kunden dem Überdimensionierten ab, weil sie individualisierte Boutique-Lösungen bevorzugen. Mittlerweile haben viele zudem interne Abteilungen aufgebaut, die in der Lage sind, Campaigning zu machen. Der Vorteil bei den grossen internationalen Agenturen: Man hat ständig einen Experten zur Hand. Dasselbe kann ich aber weiterhin garantieren, denn mein Netzwerk hat sich im Laufe der Jahrzehnte entsprechend entwickelt.

Die Psychologie kennt den Sieben-Jahres-Zyklus, nach dem der Mensch alle sieben Jahre in neue Lebensphasen eintritt. Sie scheinen typisch dafür.
Ich bin ein ungeduldiger Mensch, bei mir muss es offensichtlich schneller gehen, denn wenn ich zurückblicke, stelle ich tatsächlich fest, dass ich mehr oder weniger alle fünf Jahre wieder was Neues mache. Jetzt mit 51 habe ich also Zeit für mindestens drei weitere berufliche Veränderungen. Und ein Buch könnte ich eigentlich auch noch schreiben.


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen
persönlich Exemplar
Neues Heft ist da
Die neue «persönlich»-Ausgabe ist da - jetzt Probe-Exemplar bestellen.