Fast dreimal mehr Geld haben Werbeauftraggeber für digitale Aussenwerbung – im Jargon Digital Out-of-Home (DOOH) – 2023 ausgegeben als sechs Jahre zuvor: Es waren 143 Millionen Franken gegenüber 49 Millionen 2017. Diese Zahlen stammen aus der Werbestatistik, in die persoenlich.com Einblick erhalten hat. Abgesehen von 2020 stiegen die Ausgaben im DOOH-Bereich konstant.
Für Siri Fischer ist das nicht erstaunlich. «DOOH ergänzt die Vorteile von klassischer Plakatwerbung mit fast allen Vorteilen von Bewegtbildwerbung», erklärt die Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft Elektronische Medien (IGEM). Also einerseits eine grosse Reichweite, die Nicht-Überspringbarkeit, die Regionalität und die Glaubwürdigkeit. Andererseits die Emotionalisierung, Sichtbarkeit dank Helligkeit, die Aussteuerung nach Kriterien wie Zielgruppe oder Wetter.
Immer mehr Bildschirme
Hinzu kommt, dass die Forschung mittlerweile genauere Effektivwerte liefern kann, so Siri Fischer. Darüber wird am Dienstag an einem IGEM-Event gesprochen. Das erlaubt Werbeauftraggebern, die Wirksamkeit ihrer Kampagnen zu messen und optimieren.
Ausserdem steigt die Zahl der Werbebildschirme. Die Betreiber und Vermarkter wie Livesystems, APG|SGA, Goldbach Neo oder Excom Media informieren regelmässig über den Ausbau ihrer Portfolios.
Mediaspezialist Oliver Schönfeld schätzt die Anzahl der Bildschirme, die mindestens 55 Zoll gross sind, auf rund 2300 in der Schweiz. Laut dem Managing Director der Mediaagentur TWmedia seien das circa 1000 mehr als vor fünf Jahren. Mit den kleineren Formaten, die in den Geschäften oder im ÖV installiert sind, komme man auf weit über 20'000 Bildschirme, schätzt Schönfeld.
Vermehrt fallen grossflächige Bildschirme auf. Ferner befinden sich Screens immer öfter an Orten, wo bisher keine digitale Werbung präsent war: in Schaufenstern oder in den Läden selbst. «Gerade im Retail-Bereich erweisen sich DOOH-Bildschirme als besonders effektiv», stellt Marc Goetti, CEO von Excom Media, fest. Seine Firma betreibt unter anderem DOOH-Plattformen in Apotheken. «Sie machen Wartezeiten für Kunden angenehmer. Werbetreibende profitieren dabei von der Frequenzstärke des Standorts und den hohen Aufmerksamkeitswerten der Kundschaft.»
Sie finden auch an aussergewöhnlichen Orten Einzug. Die APG hat zum Beispiel letztes Jahr zehn E-Panels auf dem Jungfraujoch installiert.
Die geografische Verbreitung der Screens und die digitale Flexibilität erlaubt es, die Kampagnen gezielt auszuspielen. Ein Beispiel von programmatischer Werbung ist die letztjährige Kampagne der Helsana-Versicherung. Die Anzeigen passten sich an den jeweiligen Standort an und der Name der nächstgelegenen Filiale war eingeblendet.
Diese Flexibilität nutzen auch Medien, um mit Livenews auf DOOH-Bildschirme für ihre Inhalte zu werben.
3D und Hologramme
Andere Kriterien wie das Wetter können berücksichtigt werden, wie eine internationale Kampagne der Outdoormarke Columbia gezeigt hat, die auch in der Schweiz live war. Die Werbung für die Winterkollektion war nur an Tagen aktiv, an denen die Temperatur unter acht Grad lag.
Der Aufschwung von DOOH beflügelt auch die Kreativität. Um Aufmerksamkeit zu erlangen, setzen die Gestalter zum Beispiel auf 3D-Effekte. Die Agentur Mediatonic hat letzten September für die Finanz-App Yuh eine erste Kampagne mit Tiefeneffekt auf Grossbildschirmen in Bahnhöfen ausgespielt.
Ein auffälliges, wenn auch eher seltenes Format ist das Hologramm. HP Schweiz und Lidl haben zuletzt im vergangenen November über diese Technologie geworben. Dass dieses Format nicht öfters zum Einsatz kommt, habe einerseits mit den hohen Kosten und der aufwendigen Technik zu tun, erklärt Marc Goetti, der im Vorstand der IG DOOH sitzt. Ausserdem benötigten sie optimale Lichtverhältnisse, um sichtbar zu sein.
Das Highlight von Times Square
Mit der Verbreitung der Werbebildschirme stellt sich die Frage, ob zu viel Werbung nicht die Werbung tötet. Für Wirtschaftspsychologe Christian Fichter ist die Gefahr von Sättigung bei den Konsumierenden gegeben. «Wir müssen respektieren, dass blinkende Bildschirme, die unsere Aufmerksamkeit einfangen wollen, vielen Menschen auf den Wecker gehen», stellt er auf Anfrage von persoenlich.com fest.
Es muss aber seiner Meinung nach nicht sein. «Orte wie der Times Square in New York oder Piccadilly Circus in London leben geradezu von riesigen DOOH-Bildschirmen – sie sind dort nicht nur akzeptiert, sondern eine touristische Attraktion.»
Moratorium in Zürich
Die Verantwortung liege bei den Werbetreibenden. «Wer echten Mehrwert bietet, wird Erfolg haben. Wer hingegen wahllos so viel Fläche wie möglich mit aufdringlichen Botschaften zukleistert, verärgert die Konsumenten – und scheitert letztlich daran.»
Trotzdem wird in verschiedenen Städten über Aussenwerbungsverbote und Einschränkungen diskutiert. An gewissen Stellen sind Bewegtbilder nicht mehr erlaubt, sondern nur noch Standbilder, bemerkt Mediaspezialist Oliver Schönfeld.
Ausserdem hat Zürich ein Moratorium für DOOH verhängt. «Das Moratorium zeigt, dass DOOH nicht überall auf Akzeptanz stösst», findet Christian Fichter. Der Experte vermutet aber, dass es hier nicht um das Stadtbild geht, sondern um eine «allgemein wirtschaftsfeindliche Grundhaltung». «Wirtschaft, Werbung und Konsum werden oft reflexartig mit Profitgier, Kapitalismus und Materialismus gleichgesetzt – und das in einer abwertenden Weise», erklärt er.
Da brauche es mehr Aufklärungsarbeit des Branchenverbands, so Marc Goetti, CEO von Excom Media und Vorstand der IG DOOH. «Denn DOOH ist weit mehr als nur Werbung – es ist ein integraler Bestandteil des urbanen Lebens.»