24.10.2024

Podcast-Werbung

Wie der Podcast-Boom kommerziell Früchte tragen soll

Ob Radio, Streams oder Podcasts: Audioformate sind beim Publikum beliebt. Doch die Werbung hinkt hinter der Nutzung her, besonders bei Podcasts. Seit einem halben Jahr bearbeitet die Vermittlungsplattform Sound Ad Marketplace (SAM) den Markt. Alexandra Mandl und Nico Leuenberger, die SAM entwickeln, ziehen eine erste Bilanz.
Podcast-Werbung: Wie der Podcast-Boom kommerziell Früchte tragen soll
Alexandra Mandl und Nico Leuenberger weibeln für ihren Sound Ad Marketplace. (Bilder: zVg/Unsplash)

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Radio, Streaming und Podcasts erreichen gemäss Igem-Digimonitor 2024 in der Schweiz täglich über 80 Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 75 Jahren. Bei der gelegentlichen Nutzung sind es sogar 99 Prozent, also fast alle. Trotz der grossen Reichweite von Audio bleibt das kommerzielle Potenzial im Vergleich mit anderen Mediengattungen gering. Darauf machte jüngst die Radiobranche aufmerksam mit einer Gattungsmarketingkampagne für Radiowerbung (persoenlich.com berichtete).

Werberelevanz noch gering

Der aktuelle Audio-Boom wird vor allem durch Radio- und Musik-Streaming getrieben, wie die Igem-Zahlen zeigen. «Podcasts haben inzwischen zwar auch ein relativ grosses Publikum, das sie mindestens gelegentlich hört», teil Siri Fischer, Medienforscherin und Igem-Geschäftsführerin auf Anfrage mit. Aber die tägliche Nutzung sei im Vergleich zu Radio und Audiostreaming «schon noch tiefer, weil viele Podcast-Hörende eher Gelegenheits-User sind», so Fischer weiter. Entsprechend sei zurzeit auch die Werberelevanz von Podcasts noch geringer.

Damit sich das ändert, bietet der Sound Ad Marketplace, kurz: SAM, eine Plattform, wo Werbekunden und Podcasts zueinanderfinden sollen. SAM wird von der Agentur Podcastschmiede aus Winterthur betrieben. Deren Geschäft besteht massgeblich darin, Podcasts im Kundenauftrag zu produzieren.

Dass er einmal ins Geschäft mit der Werbevermittlung einsteigen würde, damit hatte Nico Leuenberger nicht gerechnet, als er die Agentur gründete. «Wir reagierten auf ein Kundenbedürfnis», sagt Leuenberger im Gespräch mit persoenlich.com. Immer wieder hätten sich Unternehmen bei ihm erkundigt, ob sie in Podcasts Werbung schalten könnten. Daraus sei die Idee für den Sound Ad Marketplace entstanden. Im vergangenen April ging die Plattform online.

«Bei den Podcasts menschelt es.»

Unternehmen und Marken, die ihr Geld in Podcast-Werbung investieren wollen, finden auf sam.podcastschmiede.ch aktuell 35 Schweizer Podcasts, die Werbeplätze anbieten. Eine Garantie, dass auch Werbung gebucht wird, wenn man seinen Podcast auf der Plattform anmeldet, besteht natürlich keine. Aktuell präsentiert sich das verfügbare Inventar sehr übersichtlich. Entsprechend braucht es (noch) keine komplexe Navigationshilfe, um sich zurechtzufinden. Überhaupt geschieht aktuell noch vieles händisch. «Unser Ziel ist es nicht, eine vollautomatisierte Plattform zu entwickeln», sagt Leuenberger. Das würde auch nicht zum Medium passen. «Die grosse Stärke der Podcasts ist ja genau, dass es menschelt.»

Quasi als Anfangsinvestition führen Geschäftsführer und Gründer Nico Leuenberger und Alexandra Mandl, die für Verkauf und Beratung zuständig ist, viele Gespräche mit potenziellen Werbekunden auf der einen und Podcast-Betreiberinnen und -Betreibern auf der anderen Seite. «Wir leisten da viel Aufklärungsarbeit», sagt Mandl.

Ein Informationsbedürfnis besteht vor allem zur Metrik, wo man sich in der Schweiz mehr oder weniger im Blindflug befindet. Zwar kann man die Podcast-Nutzung messen. «Aber darüber hinaus gibt es sehr wenig Zahlen», sagt Leuenberger. Das bestätigt auch Roland Ehrler vom Verband Schweizer Werbe-Auftraggeberverband SWA. «Podcast-Werbung wird nicht als eigene Mediagattung in der Schweizer Werbestatistik erfasst und es liegen deshalb keine offiziellen Zahlen dazu vor», sagt Ehrler. Er wolle sich dafür einsetzen, dass sich das ändere, so der SWA-Direktor weiter.

Inhaltliche Ausrichtung zieht passendes Publikum an

«Das grosse Manko sind die demografischen Werte. Die kennt nur Spotify, weil die User bei der Anmeldung die Angabe von Geschlecht und Alter verlangen.» Gleichzeitig liefert oft die inhaltliche Ausrichtung eines Podcasts deutliche Hinweise auf das Publikum. Einen Eltern-Podcast hören vermutlich mehrheitlich Menschen mit Kindern. Daher liegt es nahe, Werbung für die entsprechende Zielgruppe zu akquirieren.

Bei den Werbeformen favorisiert man beim Sound Ad Marketplace die sogenannten Host-read Ads, also Werbung, die der Podcast-Host selbst einspricht. «Bei dieser Form funktioniert das Vertrauensverhältnis zwischen Podcaster und Publikum am besten», sagt Leuenberger. So eröffnet zum Beispiel Fabio Marchesin, ein Finanzplaner, die aktuelle Episode seines Podcasts «Finanzfabio» mit einem 30 Sekunden langen Aufsager zu den Angeboten und Qualitäten eines Sponsors.

Wie bei anderen Mediengattungen möchten auch beim Podcast manche Werbekunden mit ihrer Botschaft noch näher an den redaktionellen Kern heranrücken, vergleichbar mit Publireportagen oder Native Advertising. In der Umsetzung hiess das etwa, dass neben regulären Episoden eines Podcasts eine kommerzielle Folge dazwischen geschoben würde mit einem bezahlten Gast. Bei einem fiktiven Wander-Podcast gäbe dann eine Fachperson der Outdoor-Firma XY Auskunft über angemessenes Schuhwerk.

Eher sinnvoll für grössere Unternehmen

Wer eine Kampagne fahren will, die über ein, zwei Monate läuft und nicht nur einen einzigen Spot umfasst, zahlt schnell mal 10'000 Franken oder mehr für das ganze Paket. «Entsprechend kommt solche Podcast-Werbung eher für Unternehmen mit grösseren Budgets infrage», sagt Alexandra Mandl. Ein Viertel davon geht als Provision an die Plattformbetreiber. Ein Anteil, wie ihn auch vergleichbare Vermittler in Deutschland und Österreich verlangen. «Damit decken wir unseren Aufwand», sagt Leuenberger. Wobei die Firma in der aktuellen Aufbauphase noch Geld in das Projekt reinsteckt.

Die Kunden interessiert vor allem die Werbewirkung. Was kriegt man für sein Geld? Harte Zahlen gibt es dazu, wie eingangs schon erwähnt, für die Schweiz keine. Deshalb behilft man sich mit Analogien zu den Podcast-Märkten in Deutschland und den USA. «Von dort ist bekannt, wer Podcasts mal entdeckt hat, wird recht schnell zum Power-User, hört viele verschiedene Formate und verbringt wahnsinnig viel Zeit mit Podcasts», weiss Nico Leuenberger. Zwar liegt der Tausender-Kontaktpreis (TKP) mit 200 Franken ein Mehrfaches höher als etwa bei Facebook, wo man für die gleiche Reichweite um die 5 Franken zahlt. «Aber dort scrollen die Leute einfach über die Werbung hinweg. In einem Podcast hören sie aktiv zu. Der Impact ist fast nicht vergleichbar», so Leuenberger.

Gerade die Eigenart der Podcast-Werbung öffnet Potenzial für die Kombination mit anderen Audioformaten. «Werbung in Radio und Podcast lässt sich sehr gut kombinieren», sagt Nico Leuenberger. «Beide Medien haben ihre Stärken und Schwächen. Radio eignet sich sehr gut für Abverkaufkampagnen – ‹Jetzt 50 Prozent Rabatt auf Pouletflügeli!›. Podcasts wiederum eignen sich besser für Markenaufbau und Markenpflege.»

Auch wenn die Zwischenbilanz zum Sound Ad Marketplace nach einem halben Jahr Betrieb grundsätzlich positiv ausfällt, wird die weitere Entwicklung kein Sonntagsspaziergang. «Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit am Markt leisten», weiss Alexandra Mandl.


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