Text: Hendrik Fischer Bild: zVg
Bern, Zürich, Lausanne, Delsberg, Vernier, Lancy – diesen Schweizer Städten ist gemeinsam, dass sie seit geraumer Zeit politische Vorstösse auf Gemeindeebene behandeln, die das Werben mit Plakaten, Bildschirmen und Drehsäulen erschweren oder gar komplett verbieten wollen. Zusammengefasst verfolgt KS/CS Kommunikation Schweiz aktuell 23 Vorstösse, die solche Einschränkungen der Aussenwerbung anstreben. Dabei spielt die Aussenwerbung eine wichtige gesellschaftliche und politische Rolle, die weit über ihren kommerziellen Zweck hinausgeht.
Zürich – mit drei Vorstössen an der Spitze der Regulierungsrangliste
Die bevölkerungsreichste Stadt der Schweiz hat mit einer Motion und zwei Postulaten grosse werbefeindliche Ambitionen. Die Motion der Fraktion der Zürcher Alternativen Liste (AL) fordert, dass der Gemeinderat die Bauordnung oder eine neue Verordnung zur Regelung von Reklamen, die im öffentlichen Raum sichtbar sind, vorlegen soll. Diese Bestimmungen sollen nur noch den Aushang und die Beschriftung von Geschäften vor Ort, Werbung für lokale Veranstaltungen und «unkommerzielle Angebote oder zum Zwecke der politischen Meinungsbildung» erlauben. Sprich: Werbung auf Plakaten am Bahnhof, an der Bushaltestelle oder sogar auf Tram und Bus wäre nicht mehr erlaubt. Das wären alles Orte, an denen eine effiziente Kommunikation von Produkten und Dienstleistungen möglich ist.
Werbung ist Information
Im Motionstext ist zudem zu lesen, dass die Bevölkerung «keine ständigen Erziehungsbotschaften der marktwirtschaftlichen Akteure» braucht. Erziehung scheint aber hier mit Kommunikation verwechselt zu werden. Denn Kommunikationsbotschaften sind für eine erfolgreiche Marktwirtschaft und eine aufgeklärte Gesellschaft zentral. Werbung verbietet den Konsumentinnen und Konsumenten nicht, etwas zu kaufen, und gibt auch keine paternalistischen Schelten aus. Werbung gibt ihnen vielmehr die Möglichkeit, Kaufentscheide abzuwägen und selbst zu fällen. «Die Bemühungen eines Verbotes von Aussenwerbung zielen auf ein Konsumverbot ab», sagt Christoph Marty, CEO von Goldbach Neo. Der Stadtbevölkerung somit zu verbieten, etwas zu konsumieren, scheint eher mit Erziehung zu tun zu haben.
Verknüpft mit diesem Geschäft sind zwei Postulate, die einerseits die Art von Werbefläche verbieten und andererseits den Ausbau von Reklameflächen unterbinden möchten. Grundsätzlich wird bei einem Postulat eine Forderung erhoben, dass der Stadtrat die Umsetzung eines Anliegens mit einem Bericht prüfen soll. Sprich in diesem Fall, ob in einem dieser Postulate der aktuelle Bestand an Leuchtdrehsäulen und digitalen Werbeflächen in der Stadt ausser Betrieb genommen und entsorgt werden könnte. Plakatwerbung gehört aber seit 150 Jahren zum Stadtbild von Zürich. Wie der Vorsteher des Hochbaudepartements, André Odermatt, passend erläutert, begann mit der Einführung der Aussenwerbung auch deren Regulierung. Für den Stadtrat sei klar: «Plakate und Werbung gehören zur Stadt.» Die neuen digitalen Formate, wie sie beispielsweise bei Tram- und Bushaltestellen platziert sind, haben zudem zur Folge, dass analoge Flächen abgebaut und damit auch kompensiert werden sollen.
Verboten wird, was im öffentlichen Raum sichtbar ist
Die Vorstösse, die keine kommerzielle Werbung im Aussenraum mehr erlauben wollen, gehen teilweise weiter, indem sie nicht nur Aussenwerbung im öffentlichen Raum, sondern auch auf privatem Grund verbieten wollen, falls diese vom öffentlichen Raum sichtbar sind. Dass auch Werbeflächen auf privatem Grund verboten würden, falls diese vom öffentlichen Grund aus sichtbar sind, ist gemäss der Einschätzung von KS/CS sehr problematisch. Dann würden auch Werbeflächen, die man beispielsweise von Pärken, Plätzen oder Verkehrsflächen wie Fuss- und Radwegen sehen kann, verboten. Dieser dramatische und weitreichende Einschnitt in die Wirtschaftsfreiheit ist unverhältnismässig. Denn, obwohl die Bundesverfassung den Begriff der Werbefreiheit nicht ausdrücklich nennt, ist dieser nach herrschender Lehre und Rechtsprechung Teil der von der Verfassung garantierten Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Auch das Bundesgericht hat schon klar festgehalten, dass die Freiheit der kommerziellen Werbung über die Wirtschaftsfreiheit gewährleistet wird und darüber
hinaus auch noch die Freiheit zur Meinungs-äusserung angerufen werden kann. Der Gesetzgeber sieht also keine Welt ohne Werbung vor. Ein generelles und undifferenziertes Verbot von Reklamen auf privatem Grund wäre unverhältnismässig und würde gegen die Wirtschaftsfreiheit verstossen.
Auch in der Stadt Lancy soll der kommerziellen Werbung ein Ende gesetzt werden, wenn es nach linken Kreisen geht. Nachdem die Bevölkerung der Stadt Genf mit «Zéro Pub» ein ähnliches Anliegen erst vor einem Jahr ablehnte, will es der Gemeinderat von Lancy nun ebenfalls wissen und hat für ein Verbot von Werbeplakaten auf dem Gemeindegebiet gestimmt. Diese Entwicklungen zeigen eindeutig, dass nicht nur politische Kreise in grossen Städten werbe- und wirtschaftsfeindliche Ideen umsetzen möchten. Städte, die Aussenwerbung einschränken wollten, haben schlussendlich einsehen müssen, wie wertvoll die Aussenwerbung für sie ist, finanziell wie auch politisch. Beispielsweise fliesst ein Grossteil der Werbegelder der Parteien in die Plakatwerbung. «Dass Parteien ein Medium verbieten wollen, von dem sie selbst in hohem Masse profitieren, ist fragwürdig», betont Christoph Marty. Ausserdem unterstützten die Aussenwerbeunternehmen die gemeinwohlorientierten Organisationen mit kostenlosen oder stark vergünstigten Kampagnen in Millionenhöhe.
Werbung als wichtiger und unterstützender Teil des Wirtschaftsgefüges
Aussenwerbung ist für Wirtschaft, Politik und Kultur eine wichtige Informationsmöglichkeit, die nicht willkürlich eingeschränkt werden darf. Legale Produkte und Dienstleistungen sollen auch legal beworben
werden dürfen. Die Schweizer Städte haben heute zusammen mit den Plakatierungsgesellschaften durchdachte, restriktive Regulierungen der Aussenwerbung umgesetzt, die den öffentlichen Raum allen Teilnehmenden ausgewogen zur Verfügung stellen. Nicht umsonst belegen Studien wie MACH Consumer 2021 oder eine Einzelstudie des Marktforschungsinstituts LINK 2022 die Beliebtheit des Plakats als Werbemittel in der Schweiz. 82 Prozent der Befragten empfinden Plakatwerbung als am wenigsten störend unter den Werbekanälen. Das ist ein Indiz dafür, dass die aktuellen Werberegulierungen ausreichend sind und die Mehrheit der Bevölkerung nicht von zusätzlichen Einschränkungen profitieren würde.
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