20.11.2024

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Commitment in der Krise: die Marke als treibende Kraft

Die Arbeitswelt hat sich stark verändert und damit auch die Erwartungen der Arbeitnehmenden. Im hart umkämpften Arbeitsmarkt versuchen Unternehmen, Mitarbeitende zu binden und zu motivieren. Laut der aktuellen Gallup-Studie (2024) fühlen sich jedoch nur 10 Prozent der Schweizer Arbeitnehmenden emotional mit ihrem Arbeitgebenden verbunden; 56 Prozent sind überlastet. Vor diesem Hintergrund diskutierten am 18. September 2024 über 80 Teilnehmende an der Veranstaltung von Heads Corporate Branding und Perikom im Landesmuseum Zürich die zentrale Frage: Wie können Unternehmen Commitment fördern? Im Vorfeld führte Heads Experteninterviews mit Führungspersonen aus den Bereichen Geschäftsleitung, HR und Unternehmenskommunikation.
Ausgabe 11/2024: Commitment in der Krise: die Marke als treibende Kraft
Podiumsdiskussion mit Dr. Judith Muster (Partnerin bei Metaplan), Ralph Hermann (Geschäftsführer bei Heads) und Sven Bühler (Inhaber von iCommit).

Text: Sina Frank und Simone Raubach Bilder: Saskia Helg

Mythos «Wir-Gefühl»: die neue Realität der Arbeitsbeziehungen

Das viel beschworene «Wir-Gefühl» in Unternehmen erweist sich oft als Illusion. Sven Bühler, Inhaber von iCommit, stellt klar: «Die Vorstellung, dass Mitarbeitende morgens den Ich-Hut ablegen und den Wir-Hut aufsetzen, ist zu romantisch.» In einer von ständiger Erreichbarkeit und Remote-Work geprägten Arbeitswelt stehen individuelle Bedürfnisse im Vordergrund.

Früher reichte oft der Firmenname oder das Prestige eines Unternehmens, um Mitarbeitende zu binden. Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Swissair-Mitarbeitende wollten sogar, dass im Telefonbuch «Swissair-Angestellter» steht. Eine Erkenntnis aus den Experteninterviews: Commitment entsteht heute vor allem durch Sinnstiftung. Statt ein erzwungenes Gemeinschaftsgefühl zu forcieren, sollten Unternehmen authentische Werte und eine klare Mission vermitteln. Echte Verbundenheit wächst durch das Gefühl von Wirksamkeit.

Die richtige Balance zwischen Zufriedenheit und Commitment

Zufriedenheit und Commitment werden in der Diskussion als gleich wichtig erachtet. Im Extremen bergen jedoch beide Risiken. Commitment fördert, laut einer Treiberanalyse von iCommit, die Veränderungsbereitschaft und stärkt die Loyalität, während übermässige Zufriedenheit zu Bequemlichkeit führen kann. «Unzufriedenheit ist oft der erste Schritt zum Erfolg», lautet eine zentrale Erkenntnis. Eine sehr starke Identifikation mit dem Unternehmen kann hingegen zu Burnout oder Resignation führen. Loyalität kann auch aus rein kalkulatorischen Gründen entstehen (zum Beispiel durch Mangel an Job-Alternativen) und wirkt sich dann nicht positiv auf die Leistungsbereitschaft aus.
Unternehmen müssen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Mitarbeitenden ihr volles Potenzial entfalten können. Dr. Judith Muster, Soziologin und Partnerin bei Metaplan, betont: «Unternehmen sollten Leistungsdefizite nicht auf das Mindset der Mitarbeitenden schieben, sondern bei den formalen Prozessen ansetzen.» Im richtigen Mass an Zufriedenheit, Loyalität und Engagement liegt der Hebel für echten Fortschritt. Commitment nur als Ausdruck von Bindung zu betrachten, greift zu kurz. 

Die Extrameile und das Imageproblem von «Dienst nach Vorschrift»

Die «Extrameile» wird oft als Merkmal engagierter Mitarbeitenden angesehen. Der «Traummitarbeitende» wird als jemand beschrieben, der bereit ist, über das geforderte Mass hinaus Probleme zu lösen – auch nach der offiziellen Arbeitszeit. In der Praxis zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Gemäss der aktuellen Gallup-Studie leisten 80 Prozent der Schweizer Arbeitnehmenden Dienst nach Vorschrift. Bedeutet dies, dass die Mitarbeitenden nicht bereit sind, die Extrameile zu gehen? Judith Muster betont, dass die Extrameile oft im alltäglichen Handeln liege und nicht als solche gesehen und anerkannt werde. Mitarbeitende umgehen formale Vorgaben auf eigenes Risiko, um Prozesse am Laufen zu halten und Ziele zu erreichen. Unternehmen profitieren davon.  Im Gespräch wird kontrovers diskutiert, ob nicht eher die Vorschriften angepasst werden müssten, wenn «Dienst nach Vorschrift» nicht ausreicht. Es braucht Führungskräfte, die ihre Erwartungen klar kommunizieren. Nähe, Vertrauen und realistische Ziele sind Schlüsselfaktoren, um Leistungsbereitschaft zu fördern.

Commitment durch Markenführung stärken

Commitment ist nicht selbstverständlich. Über Kommunikation lassen sich Motivation und Identifikation mit einem Unternehmen stärken. Die Marke dient als Anker, um Sinn, Ziele und Ambitionen des Unternehmens nach innen und aussen klar zu kommunizieren. Gelingt es Unternehmen, ihre Sinnstiftung glaubwürdig zu vermitteln, fühlen sich Mitarbeitende eher emotional verbunden und treten als Markenpromotoren auf. Wenn Rahmenbedingungen flexibel gestaltet und an individuelle Bedürfnisse angepasst werden, sind Mitarbeitende bereit, sich länger dem Unternehmen zu verpflichten. Das Potenzial der Mitarbeitenden kann sich entfalten; das Unternehmen profitiert von einer geringeren Fluktuation. Wenn die Mitarbeitenden verstehen, wohin sich das Unternehmen entwickeln will, steigt die Motivation, einen eigenen Beitrag zu leisten. Transparente Kommunikation schafft Vertrauen. Klarheit über die eigenen Markenwerte ist die Basis für langfristiges Commitment.


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