Text und Bilder: Zeno van Essel
Der Ort ist mit Bedacht ausgewählt: Die AXA Arena in Winterthur gehört zu den technologisch fortschrittlichsten Sport- und Eventlocations der Nordostschweiz. Die In-frastruktur lässt sich dynamisch an verschiedene Sportveranstaltungen und Events anpassen – und die Heimspiele des traditionsreichen Handball-Kultclubs Pfadi Winter-
thur, der hier zu Hause ist, werden mittels automatisierter Kameras übertragen, die durch künstliche Intelligenz gesteuert werden. Somit macht es für die Mitglieder des Vereins der Schweizer Stadion- und Arenabetreiber (VSSA) viel Sinn, sich an diesem Ort vertieft mit dem Thema zu befassen, das gerade die ganze Welt revolutioniert und auch die Live-Event-Branche immer stärker prägt: künstliche Intelligenz.
Zauberwort künstliche Intelligenz
Doch was ist unter dem Zauberwort künstliche Intelligenz eigentlich zu verstehen? Wie funktioniert ChatGPT? Und: Kann man der Technologie überhaupt vertrauen? Um diese grundlegenden Fragen zu beantworten, sind Stéphanie Kioutsoukis und Mark Turrell, Co-Founder von Fresh Solutions AI, eingeladen, einem Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von KI-gestützten Lösungen für strategische Geschäftsprozesse in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen spezialisiert hat.
Zu Beginn fragen sie in die Runde, wer schon ChatGPT nutzt. Etwa die Hälfte der Anwesenden meldet sich. Auf die Frage, wer ChatGPT bereits mit File-Uploads nutzt, hebt niemand die Hand. Die Referentin versteht die Skepsis, denn noch ist nicht klar, wie die Marktführer im Bereich der künstlichen Intelligenz mit sensiblen Daten umgehen. «Dennoch nutzen bereits 72 Prozent der Unternehmen generative KI in mindestens einer Geschäftsfunktion», so Kioutsoukis. Und ihr Co-Referent Mark Turrell bringt auf den Punkt, warum das so ist: «Mit KI können wir mehr mit weniger oder den gleichen Ressourcen erreichen. Aufgaben, die früher unmöglich schienen, werden plötzlich machbar.» Er führt aus, wie sich auch für Stadion- und Arenabetreiber dadurch vielfältige Einsatzmöglichkeiten bieten: von personalisierten Kundenerlebnissen über optimiertes Facility-Management bis hin zu verbesserter Sicherheit durch KI-gestützte Analysen. Doch die Referenten von Fresh Solutions warnen auch vor möglichen Gefahrenquellen: «Ungenauigkeit ist das am häufigsten erkannte und erfahrene Risiko bei der Nutzung generativer KI», so Kioutsoukis. Mit witzigen Beispielen wie durch KI erstellten Katzenbildern oder dem berühmten Pizzarezept-Fail, bei dem künstliche Intelligenz empfahl, den Käse mit Leim auf die Pizza zu kleben, verweist sie auf Fälle, in denen KI-generierte Inhalte zu Fehlinformationen geführt haben. Darum betont sie die Notwendigkeit menschlicher Überwachung der KI. «Es ist jedoch nicht die Frage, ob KI eingesetzt wird, sondern wann und wie», sagt Turrell. Um die Vorteile von KI optimal zu nutzen, empfiehlt er einen schrittweisen Ansatz: Zunächst sollten Prozesse identifiziert werden, die von KI profitieren könnten. Anschliessend sei es wichtig, mit flexiblen, anpassungsfähigen IT-Systemen zu experimentieren und schliesslich benutzerfreundliche, skalierbare Lösungen einzuführen. «Um künstliche Intelligenz effektiv zu nutzen, müssen Anwender wissen, wie man die richtigen Fragen stellt. Machen Sie es idiotensicher für Benutzer, um das Beste aus den Tools herauszuholen», rät Kioutsoukis.
Intelligentes Crowd-Management
Ein konkretes Beispiel für eine innovative KI-Lösung, die für Stadion- und Arenabetreiber von grossem Nutzen sein kann, präsentiert danach Michael Tschakert, Managing Director von knw., dem smarten Crowd-Management-System von Live Matters global und PwC. Dieses ermöglicht es Veranstaltern, Bewegungspfade, Besucherdichten und die Nutzung von Infrastruktur in Echtzeit zu analysieren. Besonders beeindruckend ist dabei die Fähigkeit, dank Unterstützung von KI potenzielle Problemstellen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren.
«Schlüsselkomponente des Systems ist die Nutzung von Smartphone-Sensordaten», erläutert Tschakert. «Durch sie werden präzise Lagebilder über das Bewegungsverhalten der Event-Besucher erstellt. Die Daten werden DSGVO-konform über die Event-App erfasst und verarbeitet.» Die Lösung geht weit über traditionelles Crowd-Management hinaus. Sie ermöglicht auch die Erfassung von Flow- und Sentimentdaten an strategischen Punkten wie Shops oder Werbeflächen. «knw. bietet die Möglichkeit, standortbasierte Benachrichtigungen an Besucher zu senden. Diese können individuelle Informationen, Marketinginhalte oder Hinweise zum Veranstaltungsablauf in spezifischen Zonen umfassen», so Tschakert.
KI-Sportstreaming im Breitensport
Alexander Grimm, CEO bei Ringier Sports, holte mit der Präsentation des bahnbrechenden RED+-Sportstreamings die VSSA-Mitglieder wieder zurück zu den praktischen Anwendungen von KI in der AXA Arena. Denn in der Halle kommen die KI-gesteuerten, automatisierten Kamerasysteme zum Einsatz, die mithilfe der sportartspezifischen AI-Auto-Follow-Technologie das Spielgeschehen analog einer Fernsehproduktion dynamisch erfassen. Dies ermöglicht nicht nur umfassende Sportübertragungen in Broadcast-Qualität, sondern auch Datenerhebung sowohl für Indoor- als auch Outdoor-Sportarten. RED+ hat sich seit seinem Start im August 2022 als vielseitiger Streaming-Dienst etabliert. Das Angebot umfasst Fussball (Promotion League, 1. Liga Classic,
2. Liga Interregional), Eishockey (My Hockey League, PostFinance Women’s League sowie Amateure und Junioren) und ab 2024/2025 auch Handball (QHL, SPL, NLB und Elite-Ligen). «Wir bieten Ligen, Verbänden und Klubs eine innovative Bühne», betont Grimm. «Unsere Systeme erfassen nicht nur Bilder, sondern auch wertvolle Daten, die für Analysen und Statistiken genutzt werden können.»
Rundgang und Apéro
Nach so viel «Hirnfutter» tut es gut, sich die Füsse zu vertreten und dabei die moderne Infrastruktur der AXA Arena zu bestaunen. Geschäftsleiter Robert Risse öffnet die Türen zum hausinternen Fitnesscenter, zu den komfortablen Lounges und zu den Seminarräumen und erläutert, dass das Projekt Win4 nicht nur die AXA Arena als Sport- und Event-Location integriert, sondern auch ein Gesundheitszentrum mit einem erstklassigen therapeutischen Angebot und einen «Talent Campus», bei dem Jugendliche gefördert werden. Beim anschliessenden Apéro im hauseigenen Restaurant «L’Arena» können die VSSA-Mitglieder das Gesehene und Gehörte nochmals Revue passieren lassen. «Bei aller Faszination für die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz: Der persönliche Austausch lässt sich durch nichts ersetzen», so Anke Stephan, Vizepräsidentin des VSSA.
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