28.08.2023

Verbandspartner

Nachhaltige Events? Komplex, aber einfach anfangen!

Nachhaltigkeit. Ein Schlagwort, das auch für die Schweizer Stadion- und Arenabetreiber immer mehr an Bedeutung gewinnt. Kunden verlangen mehr Transparenz bei der Ökobilanz ihrer Events. Doch bei der Vielfalt der Veranstaltungen und der grossen Menge an Messkriterien ist das kein leichtes Unterfangen. Die Mitglieder des Vereins der Schweizer Stadion- und Arenabetreiber trafen sich in THE HALL in Dübendorf ZH, um diese Fragen zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen.
Ausgabe 06/07 2023: Nachhaltige Events? Komplex, aber einfach anfangen!
Danach gehts zum Apéro und zum Networking. Dass das Thema bei den AnwesenReferent Nico Decurtins, Founder von The Sustainability Coach, vertretend für acting responsibly.

Text und Bilder: Zeno van Essel

«Der nachhaltigste Event, ist derjenige, der abgesagt wurde.» Nico Decurtins, Founder von The Sustainability Coach GmbH und als Referent das Bieler Nachhaltigkeitsmonitoring- und Zertifizierungs-Unternehmen acting responsibly vertretend, provoziert mit einer These, die so gar nicht in das Leitbild der Schweizer Stadion- und Arenabetreiber passt. Die Periode der abgesagten Events haben sie glücklicherweise nun endgültig hinter sich und freuen sich, dass das Publikum wieder vermehrt und mit Begeisterung in ihre Venues strömt. Decurtins ist sich dessen natürlich bewusst und begründet seine steile These mit dem guten Argument: «Wo nichts stattfindet, kann nichts gemessen werden – also ist das per se nachhaltig.» Im Umkehrschluss heisst das aber: Wer nachhaltig sein will, muss anfangen, Parameter zu messen, diese zu bewerten und sie zu optimieren.

Im besten Fall können so Standards definiert werden, die durch eine offizielle Zertifizierung gekennzeichnet und geschützt sind. acting responsibly unterstützt Unternehmen bei diesem Prozess, und so gibt Decurtins Einblicke in den Ablauf eines solchen Monitorings, das unter anderem Faktoren wie Abfall, Beschaffung, Verpflegung, Mobilität, Sicherheit, Wasser, Energie und Emissionen quantifiziert und qualifiziert. Das Team von acting responsibly tut dies seit über zehn Jahren und hat ein international anerkanntes Messsystem etabliert – vor allem auch spezifisch für die Veranstaltungsbranche –, das auf der massgebenden Zertifizierungsnorm ISO 20212 basiert. Die Schwierigkeit, einen gemeinsamen Nenner für Nachhaltigkeit in der Eventbranche zu finden, liefert er aber gleich nach: acting responsibly darf kein ISO-Logo vergeben, da in der Schweiz die Schweizerische Normenvereinigung (SNV) für die Umsetzung zuständig ist. Will ein Stadionbetreiber also das ISO-Logo auf seiner Website verwenden – was für das Image gegen aussen am meisten Effekt hätte –, muss er den Audit von einem ausländischen Unternehmen erstellen lassen, was viel teurer ist. Schnell wird den Anwesenden bewusst, dass für Betreiber von grossen Veranstaltungsorten das Thema Nachhaltigkeit komplex ist. Dennoch ist es wichtig, sich damit zu befassen – und «einfach einmal damit anzufangen». Das jedenfalls meint Mike Keller, der Geschäftsführer der Markthalle Hamburg, der via Videocall zugeschaltet ist und unter anderem auch Honorardozent für nachhaltiges Veranstaltungsmanagement an der Hochschule Fresenius sowie Nachhaltigkeitsberater beim Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) ist. Vor sieben Jahren hat er angefangen, die Markthalle Hamburg auf den Weg der Nachhaltigkeit zu bringen, indem er auf Ökostrom wechselte. Es folgten Modernisierungen im Sanitärbereich und in der Gastronomie bis hin zu diversen Öko-Zertifizierungen und Klimaneutralität. «Nachhaltigkeit ist ein Thema, das alle Unternehmensbereiche betrifft, darum ist der Mindset im Team entscheidend», sagt er. Und: «Wir erleben, dass immer mehr Künstler, Veranstalter, Sponsoren und nicht zuletzt auch Mitarbeitende Nachweise für Nachhaltigkeits-Engagement verlangen. So hat Nachhaltigkeit direkten Einfluss auf den Shareholder-Value des Unternehmens.» Als Beispiel nennt er die Band Coldplay, die für ihre Welttournee eine eigene Sustainability-Landingpage eingerichtet hat, die beschreibt, wie 50 Prozent der CO2 - Emissionen reduziert würden. Auf die Frage, wie denn das bemessen werde, muss auch er zugeben, dass die Zahlen im Moment nicht klar verifizierbar seien.

Wie die Stadion- und Arenabetreiber ihre Ökobilanz erstellen können, erläutert Bettina Kahlert, Leiterin Ressourceneffizienz bei myclimate, in ihrem Vortrag. Sie stellt dabei verschiedene elektronische Fragebögen vor, in denen die Kennzahlen von Abläufen in den verschiedensten Bereichen eines Veranstaltungsorts oder eines Events dokumentiert werden können und auf deren Basis dann die CO2 -Bilanz berechnet wird. Ob dabei für Unternehmen auch Benchmarks gesetzt und klare Ziele definiert werden könnten, will das Plenum wissen. «Im Dienstleistungssektor sind solche Vergleiche bereits möglich und werden gemacht», sagt Kahlert. «Aber im Bereich der Events und Veranstaltungsorte ist die Datenbasis noch zu dünn für repräsentatives Benchmarking.» Nach einem kurzen Workshop, bei dem die Teilnehmer in kleinen Gruppen ihre Nachhaltigkeitsziele diskutieren können, wird per Videocall noch Ioana Nan von der Organisation Green Globe zugeschaltet, die sich seit 1992 ebenfalls mit der Öko-Zertifizierung von Unternehmen befasst. Nach der Absolvierung eines ausführlichen Audits, bei dem das Unternehmen auch vor Ort geprüft wird, erhält es ein ISO-14001-basiertes Zertifikat und wird so Teil eines globalen Kommunikationsnetzwerks, das über diverse Social-Media-Portale über die Leistungen der 600 Mitglieder berichtet. «Das entspricht einem Werbewert von 21 Millionen US-Dollar», so Nan. Am Ende eines spannenden Podiums weist VSSA-Präsident Felix Frei auf den Nachhaltigkeitsleitfaden des VSSA hin, der noch vor der Corona-Zeit in Zusammenarbeit mit den ETH juniors erstellt und 2020 www.vssa.ch veröffentlicht wurde und der Tipps und Checklisten für die konkrete Umsetzung von nachhaltigen Strategien und Massnahmen liefert. Auch er ist der Meinung, dass man einfach mal beginnen müsse. Am besten mit einem internen Green-Team, das von der Geschäftsleitung geführt werde. Mit der Checkliste des VSSA und einem Nachhaltigkeits-Tool zur Selbstdeklaration könne man zum Beispiel einfach und niederschwellig starten. Darauf aufbauend lasse sich die Nachhaltigkeitsstrategie Schritt für Schritt entwickeln.

Danach gehts zum Apéro und zum Networking. Dass das Thema bei den Anwesenden bereits Spuren hinterlassen hat, wird an der Bar deutlich: «Woher stammt der Kaffee, und wie wurde er gepflückt», will ein Teilnehmer wissen. Ein anderer fragt: «Läuft die Maschine mit Ökostrom?» Und Marcel Näpflin, der stellvertretende Geschäftsführer von URIMAT Schweiz und Partner des VSSA, scherzt: «Was, die Kaffeemaschine läuft noch mit Wasser?» Am Schluss sind sich aber alle einig: Nachhaltigkeit spielt auch bei Veranstaltungen in der Schweiz – und vor allem auch in den Stadien und Arenen der Schweiz – eine zunehmend wichtigere Rolle. Es ist Zeit, die Sache anzupacken!


Diese Artikel könnten Sie auch interessieren