Frau Flores, Sie haben seit über 50 Jahren eine Fabrik im luzernischen Dagmersellen. Ein Konkurrent hat seine Fabrik in der Schweiz letztes Jahr geschlossen. Wie geht es Ihrer Fabrik und Ihrer Firma allgemein?
In Dagmersellen haben wir zwei Einheiten: Die Fabrik, die Zigaretten fürs In- und Ausland produziert, und den Standort für die Schweizer Marktbearbeitung. Wie jedes produzierende Unternehmen in der Schweiz steht auch unsere Fabrik unter einem hohen Kostendruck. Dank qualifizierten Mitarbeitenden, einem hohen Automatisierungsgrad und Innovationen konnten wir uns im JTI-Konzern etablieren. Letztes Jahr haben wir sogar mehr Zigaretten hergestellt als geplant. Für den Schweizer Marktstandort sehen die Herausforderungen anders aus. Dazu gehören schweizweit sinkende Zigarettenverkäufe, strengere Regulierungen und alternative Produkte. Trotzdem waren wir erfolgreich und konnten unseren Marktanteil in den letzten Jahren stetig erhöhen.
Welche neuen Produkte und Innovationen sind demnächst geplant?
Unser Ziel ist es, erwachsenen Konsumentinnen und Konsumenten ein breites Sortiment an Produkten aus verschiedenen Kategorien anzubieten. Neben den bekannten Zigarettenmarken Winston und Camel haben wir mit Nordic Spirit auch ein tabakfreies Snusprodukt im Sortiment. Als neuste Innovation haben wir im letzten September mit der Marke Ploom X einen Tabakerhitzer lanciert. Der Tabak wird dabei nicht verbrannt, sondern erhitzt. Wir wollen damit eine Alternative zu herkömmlichen Zigaretten anbieten – ohne Rauch und Asche.
Wie sehr tangiert JTI Schweiz die im Februar 2022 angenommene Volksinitiative zum Verbot von Werbung für Tabakprodukte und E-Zigaretten, die Minderjährige erreicht?
Dass wir unsere Werbung für Tabakprodukte nicht an Kinder und Jugendliche richten, war für uns bereits vor der Annahme der Initiative klar, das wird seit langem konsequent umgesetzt. Es ist richtig und wichtig, dass Jugendliche vor dem Tabakkonsum geschützt werden. Die Möglichkeit für erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten, sich zu informieren, muss jedoch nach wie vor gegeben sein. Werbeverbote stellen eine Herausforderung für die Tabakindustrie dar, da sie unsere Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten einschränken. Dies gilt übrigens nicht nur für unsere Industrie. Wir sind der Vorreiter für Beschränkungen von Werbung für Fleisch, Zucker oder Reisen. Wichtig ist, dass die Politik die Rahmenbedingungen so festlegt, dass die erwachsene Bevölkerung frei entscheiden kann. Jugendliche müssen geschützt werden, aber Einschränkungen und Werbeverbote gegenüber erwachsenen Personen lehnen wir ab.
Inwiefern hat die Digitalisierung die Geschäftspraktiken von JTI Schweiz beeinflusst?
Die Pandemie hat den Trend hin zu mehr digitalem Arbeiten beschleunigt und die interne Zusammenarbeit verändert. Heute können in Dagmersellen alle Mitarbeitenden, bei denen dies arbeitstechnisch möglich ist, drei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten. Wir machen mit einer stärker digitalisierten Zusammenarbeit weltweit durchwegs positive Erfahrungen. Als produzierendes Unternehmen ist es zudem unabdingbar, einen hohen Automatisierungsgrad zu haben. Seit 2014 haben wir beispielsweise selbstfahrende Gabelstapler in unserer Fabrik, die Waren autonom transportieren. Zudem haben wir an vielen Orten Roboter im Einsatz, die unsere Mitarbeitenden von schweren Arbeiten entlasten. Körperlich anstrengende und monotone Arbeiten können so durch attraktivere Aufgaben ersetzt werden.
Welchen Stellenwert nimmt das Marketing ein?
Es gehört zu einer freien Marktwirtschaft, dass man legale Produkte bewerben darf.
Tabakwerbung richtet sich heute gezielt an Erwachsene und unterstützt mündige Raucherinnen und Raucher bei der Wahl einer Marke. Ziel der Werbung ist es, Marktanteile in einem rückläufigen Markt zu gewinnen. Dies ist ein legitimes Interesse aller Hersteller. Werbung soll die Marke stärken und gleichzeitig informieren. Wichtig ist, dass Minderjährige keinen Zugang zu Tabakprodukten und E-Zigaretten haben. Dies wird mit dem neuen Tabakproduktegesetz, das voraussichtlich Mitte dieses Jahres in Kraft tritt, sichergestellt.
Wie sehr engagiert sich JTI für Nachhaltigkeit?
JTI ist das am schnellsten wachsende Tabakunternehmen der Schweiz. Der Erfolg verpflichtet uns, unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt wahrzunehmen. So engagieren wir uns beispielsweise im sozialen Bereich seit Jahren auf regionaler und nationaler Ebene. Zudem haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, 48 Stunden Freiwilligenarbeit im Jahr zu leisten.
In den letzten 16 Jahren haben wir am Standort Dagmersellen rund 250 Millionen Franken gezielt in die Infrastruktur investiert und produzieren heute dank dem Einsatz modernster Technologien effizienter und energiesparender denn je. Effizienz ist immer gepaart mit Einsparungen von Energie und Rohstoffen. Mit der zunehmenden Automatisierung stieg auch die Produktivität weiter an. Um unseren CO2-Fussabdruck weiter zu senken, haben wir unsere Dächer mit Photovoltaikanlagen ausgestattet und auf unserem Gelände Ladestationen für Elektroautos montiert, um nur einige Beispiele zu nennen.
Wie gehen Sie vor, um die Chancengleichheit innerhalb des Unternehmens zu fördern?
Gleiche Chancen und Voraussetzungen für alle ist für uns selbstverständlich. Unser erklärtes Ziel ist es, den Frauenanteil im gesamten Unternehmen kontinuierlich zu erhöhen. So macht es mich natürlich ganz besonders stolz, als erste Frau JTI Schweiz führen zu dürfen. Zudem sind vier von acht Mitgliedern der Geschäftsleitung Frauen. Weitere Beispiele zur Förderung der Chancengleichheit sind die bezahlte Elternzeit von 20 Wochen für alle Mitarbeitenden, unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung, oder die Zusammenarbeit mit Advance – Gender Equality in Business. Vor wenigen Wochen wurden wir bereits zum 12. Mal in Folge als Top Employer Schweiz ausgezeichnet. Diese jüngste Zertifizierung bestätigt erneut die herausragenden Arbeitsbedingungen bei JTI, was durch die GES-Zertifizierung (Gender Equality Standard) von EY gestützt wird. Aber natürlich sind wir noch lange nicht am Ziel. Diversität und Inklusion gehen weit über das klassische Männer-Frauen-Denken hinaus.
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