Erst im November werde man sehen, wer im Rennen um das Präsidentschaftsamt zuletzt lacht, schrieb der Wiener Standard am 22. Juli. Die Pointe zum Schluss eines Porträts von Kamala Harris war nicht zufällig gewählt. Denn das Lachen einer möglichen ersten US-Präsidentin ist nicht nur metaphorisch zu verstehen; Harris’ Lachen ist zu einem Markenzeichen geworden. Manche sehen darin gar einen Schlüssel zum Wahlerfolg. «Make America Laugh Again» kursiert als Slogan im Umfeld der Harris-Unterstützer. Aber nicht alle interpretieren die öffentlich gezeigten Emotionen als Stärke der amtierenden US-Vizepräsidentin.
So widmete sich am 27. Juli die Neue Zürcher Zeitung ausführlich und kritisch dem Thema. Autorin Birgit Schmid sieht in Harris’ lauten Lachern eine Hypothek für ihre präsidialen Ambitionen. Eine These, die ihr kritische Reaktionen einbrachte. Grundtenor: Die Diskussion über Harris’ Lachen sei sexistisch und irrelevant. Von Satirikerin Patti Basler bis Mitte-Präsident Gerhard Pfister äusserte sich etliche Prominenz zum Artikel. Basler kritisiert etwa, dass Lachen und Humor bei Frauen und Männern immer noch unterschiedlich bewertet würden. Pfister empfiehlt der NZZ, sich relevanteren Fragen zuzuwenden, etwa der Nähe Donald Trumps zu rechtsextremen Gruppen. Auch im Blog von persoenlich.com war der Artikel ein Thema.
«Sexismus-Vorwurf nicht immer berechtigt»
persoenlich.com wollte von der NZZ-Journalistin wissen, ob sie mit solchen Reaktionen gerechnet habe und wie sie darauf reagiert. Den Sexismus-Vorwurf kommentiert Schmid so: «Manche Äusserungen, unter anderem von Trump, zu Kamala Harris' Lachen wurzeln in misogynen Ansichten. Nicht immer scheint mir der Sexismus-Vorwurf aber berechtigt.» Sie nenne einige politische Beispiele, so Schmid weiter, bei denen Harris' Reaktion angesichts der Ernsthaftigkeit der Situation nicht angemessen wirkte und als Ausdruck von Überforderung und Unsicherheit gedeutet werden könne. Und in Richtung jener Kritikerinnen, die wie Patti Basler nur Titel und Lead des Artikels gelesen haben, sagt die Journalistin: «Wer meinen Artikel vollständig liest, erfährt, wie ich argumentiere.»
Schmid schreibt in ihrem Artikel, Lachen mache Politiker menschlich, aber wie man bei Kamala Harris sehe: «Wer ständig lacht, macht sich angreifbar. Es entsteht der Eindruck, dass man die Sache nicht ernst nimmt und sich von Emotionen wegtragen lässt.» Dazu nennt die NZZ-Journalistin mehrere Situationen in denen Harris’ Lachen nicht angemessen gewesen sei. Seit der Bekanntgabe ihrer Kandidatur allerdings habe sich Harris mit Lachen zurückgehalten und wirke dadurch «staatsmännischer», schliesst Schmid ihren Text, in dem Sie auch zahlreiche Beispiele männlicher Lacher erwähnt, die zu reden gaben. Etwa der legendäre Ausbruch von Bundesrat Merz. Dabei handele es sich aber «meistens um einmalige Gefühlsausbrüche». Und Donald Trump, den Gegenspieler von Kamala Harris im Rennen um die Präsidentschaft in den USA, sehe man selten herzhaft lachen, dafür verspottet er seine Konkurrentin wegen ihres Lachens.
«Beurteile auch männliche Politiker kritisch»
Ihre Kritik an Harris’ Heiterkeit verteidigt Birgit Schmid auch mit dem Hinweis auf linksliberale US- Medien wie New York Times oder New York Magazine, die Harris' Auftreten und Leistungsausweis in den vergangenen vier Jahren regelmässig thematisiert hätten. Ausserdem, so Schmid weiter, beurteile sie den Stil männlicher Politiker – und gerade Donald Trump – ebenso kritisch.
Weniger kritisch, sondern geradezu lobend, setzte sich Schmid wenige Tage vor ihrer Harris-Lachkritik mit der grimassierenden Mimik von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auseinander und sah darin ein Zeichen für die Volksnähe der Rechtspolitikerin. Ob sie nicht mit unterschiedlichen Ellen messe, wenn sie die Emotionen Melonis und Harris’ so unterschiedlich bewerte, hätte persoenlich.com gerne wissen wollen. Schmid nahm dazu keine Stellung.
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07.08.2024 10:46 Uhr