16.11.2023

SRG

Der Generaldirektor zum Bundesratsentscheid

Gilles Marchand nahm gegenüber dem SRG-Personal Stellung zur geplanten Gebührensenkung des Bundesrats und zur SVP-Initiative «200 Franken sind genug». persoenlich.com hat mitgehört.
SRG: Der Generaldirektor zum Bundesratsentscheid
Die SRG steht am Anfang einer «sehr langen Reise»: Gilles Marchand zu den Vorschlägen des Bundesrats. (Bild: Keystone/Urs Flüeler)

Fast eineinhalb Stunden nahm sich der SRG-Generaldirektor am vergangenen Freitag Zeit, um die Fragen seines Personals zur Zukunft des Unternehmens zu beantworten. Anlass dazu gaben die Pläne des Bundesrats, die Abgabe für den öffentlichen Rundfunk zu senken als Reaktion auf die sogenannte Halbierungsinitiative (persoenlich.com berichtete).

Auch wenn noch vieles unklar ist, gab sich Gilles Marchand kämpferisch und zeigte sich willens, alles zu unternehmen, um eine starke SRG zu erhalten.

Die Redaktion von persoenlich.com hat die Aufzeichnung der Personalveranstaltung zugespielt bekommen und dokumentiert nachfolgend die wichtigsten Aussagen des SRG-Generaldirektors:

• Wie schätzt Marchand den Bundesratsentscheid zur geplanten Mittelkürzung allgemein ein?
SRG-Generaldirektor Gilles Marchand sieht zwei Dimensionen: eine positive, weil der Bundesrat die sogenannte Halbierungsinitiative ablehnt. Der Bundesrat habe deren «grosse Risiken» erkannt und werde das Vorhaben nun bekämpfen. Negativ sei hingegen der Vorschlag, die Medienabgabe für Haushalte von 335 auf 300 Franken zu senken.

• Was kommt unmittelbar auf die SRG zu?
Die bis Anfang Februar laufende Vernehmlassung hält Marchand für eine «extrem wichtige» Phase. Die SRG werde in ihrer Stellungnahme aufzeigen, warum der Vorschlag des Bundesrats problematisch sei. Der Generaldirektor hofft zudem, dass sich auch all jene Akteure, welche die SRG für wichtig halten, mit entsprechenden Stellungnahmen zu Wort melden. Er denke da etwa an die Kantone, die sich um die regionale Verankerung der SRG sorgten im Falle eines Leistungsabbaus. Aber auch Akteure aus den Bereichen Sport, Kultur, Musik, Film hätten Grund zur Besorgnis und würden entsprechend Stellung nehmen, zeigt sich Marchand überzeugt. Das sollte sich dann zugunsten der SRG auf die Botschaft des Bundesrats auswirken, die er zuhanden des Parlaments ausarbeitet.

• Wie geht es danach weiter?
Marchand spricht von einer «sehr langen Reise» mit Blick auf alle erwartbaren Etappen, die bis 2029 folgen. Schliesslich geht es nicht nur um die Frage der Finanzierung, sondern in einer zweiten Phase auch um die Erneuerung der Konzession. Auf dieser langen Reise sollten «wir ruhig bleiben wie Profis» und den Leistungsauftrag erfüllen.

• Wann wird die SRG in den Kampagnenmodus schalten?
Es sei wichtig, zu präzisieren, sagte Gilles Marchand am vergangenen Freitag, dass jetzt die Vernehmlassung und die politische Diskussion im Vordergrund stünden. Gegenwärtig sei es nicht an der SRG und an ihrem Personal, eine Kampagne zu machen. «Es gibt eine indirekte Mobilisierung der Stakeholder», so Marchand. Etwa der Gewerkschaften und anderer direkt oder indirekt betroffener Akteure, die sich bereits besorgt geäussert haben.

• Die SRG soll weniger Geld erhalten. Wo könnte sie sparen?
«Wir wissen noch gar nicht, wie viel gespart werden soll», so der Generaldirektor. Eine konkrete Planung sei erst möglich, wenn Klarheit herrsche. Ab 2024 werde man dann mit Hochdruck Szenarien ausarbeiten. Ausserdem verfügt die SRG bis 2027 über eine Konzession, die sie erfüllen muss.

• Bei Sport und Unterhaltung sparen, fordert der Bundesrat. Ist das eine Option?
Hierzu verweist Marchand auf die Diskussion um die Konzession, die erst ab 2027 folgt, und den bis dahin geltenden umfassenden Leistungsauftrag, der ein Vollprogramm für Sport und Unterhaltung umfasst. Aber unabhängig davon sagt Marchand auch, dass er Sport für «extrem wichtig» hält als Teil eines Service-public-Angebots, weil das auch «ein Weg und eine Lösung ist, um die Schweiz zusammenzuhalten». Bei der Unterhaltung stelle sich nicht die Frage, ob ja oder nein, sondern welche Unterhaltung die SRG anbiete. Was auch heisst: Wenn die SRG spart, dann sucht sie im gesamten Angebot nach Potenzial und nicht nur bei Sport und Unterhaltung.

• Welche Auswirkung haben die Sparvorschläge auf die dezentrale Struktur der SRG mit ihren Standorten in allen Regionen der Schweiz?
Würde die Halbierungsinitiative angenommen, dann ist für Marchand «absolut klar», dass die dezentrale Struktur der SRG nicht erhalten werden könnte. Das wäre «total unmöglich». Mit dem Vorschlag des Bundesrats wäre das hingegen nicht der Fall. Die SRG käme nicht in «eine Logik der radikalen Schliessung von Standorten», sondern einer präzisen Überprüfung, was man halten könnte. Einsparungen liessen sich mittels Effizienzmassnahmen erzielen.

• Wie viele Stellen müsste die SRG abbauen gemäss den vorliegenden Sparvorschlägen des Bundesrats, die um die 170 Millionen Franken ausmachen?
Eine genaue Zahl konnte der SRG-Generaldirektor nicht nennen. Nur so viel: 50 Prozent des Budgets sind Kosten für Arbeitsplätze. Entsprechend würde die Hälfte des Sparbetrags auf das Personal entfallen.

• Immer wieder und auch jetzt wieder steht die Forderung im Raum, die SRG solle nur das machen, was private Medien nicht anbieten. Ist das eine Lösung?
«Das ist eine der grossen Fantasievorstellungen in ganz Europa, nicht nur in der Schweiz», sagt Marchand. Wenn man den Service public in dem Moment schwäche, in dem die Privaten selbst grosse Schwierigkeiten haben, dann werde das gesamte Medienangebot geschwächt, argumentiert der SRG-Direktor. Dass die Privaten davon profitierten, wenn sich die SRG aus gewissen Bereichen zurückziehe, sei «Wunschdenken». Zentral sei in dem Kontext zudem die Funktion des Ausgleichs zwischen den Regionen: «Unterschiedliche Angebote für Genf, Lugano oder Chur ist nicht Service public», so Marchand.

• In die gleiche Richtung zielt auch die Forderung, dass sich die SRG im Onlinebereich zurückhalten müsse. Soll da die SRG weniger machen?
Marchand hält fest, dass die SRG ihr Publikum dort erreichen müsse, wo es sich aufhält. Und das sei heute eben auch und vor allem online. Ausserdem habe noch niemand einen direkten Zusammenhang belegen können, zwischen einem guten öffentlichen Onlineangebot und den Schwierigkeiten privater Verleger, Digitalabos zu verkaufen. Im Gegenteil: Zahlen aus Norwegen wiesen sogar in die gegenteilige Richtung, dass ein starker Service public online das Bedürfnis nach Information insgesamt stärke. Anstatt auf Konfrontation möchte er weiterhin auf Kooperation setzen mit den Verlegern. «Das ist meine grundsätzliche Haltung», so Marchand.

• Wie nimmt Marchand die Verleger wahr?
Man dürfe sie nicht als einen «einzigen Block» sehen, so der Generaldirektor. Es gebe unterschiedliche Positionen. Die SRG habe unter den Verlegern eine Vielzahl von Gesprächspartnern, die nicht alle auf einer Linie sind. Und: «Wir sind in einem permanenten Diskussionsprozess.»

• Kann das Bevölkerungswachstum und die Zunahme der Haushalte die Kürzung der Mittel kompensieren?
Marchand macht klar, dass es keinen solchen Automatismus gibt. Was die SRG bekommt, sei nicht an demografische Kriterien gekoppelt, sondern an politische. Über die Mittelzuteilung entscheidet der Bundesrat.

• Gäbe es andere Finanzierungsmodelle?
Marchand erwähnt die Diskussionen in ganz Europa und sagt: «Es gibt kein perfektes System.» Mit der Finanzierung aus dem Staatshaushalt, wie das in skandinavischen Ländern geschieht, drohe eine Verpolitisierung. So musste etwa der dänische Rundfunk auf Geheiss der Politik sein Budget um ein Viertel kürzen. Die Abgabe, wie sie die Schweiz und andere Länder kennen, habe bei allen Nachteilen den grossen Vorteil der Transparenz. «Die Leute wissen, wofür sie zahlen», so Marchand.


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KOMMENTARE

Victor Brunner
21.11.2023 08:29 Uhr
Marchand irrt, es gibt ein perfektes System. Jeder entscheidet selber was er konsumieren will und dafür bereit ist zu bezahlen. Vor allem muss sich SRG reformieren, neutral berichten, Wasserkopf abbauen, professioneller werden, angekündigte Sendezeiten einhalten und nicht regelmässig Newssendungen mit Verspätung um noch mehr Werbung zu platzieren!
Pius Lischer
20.11.2023 18:19 Uhr
Grüezi Warum nicht auch die privaten Medien mit CO2-Lenkungsabgaben finanzieren und die serafe vergessen? Gruss Pius Lischer
Andreas Kleeb
17.11.2023 15:28 Uhr
«Die Leute wissen, wofür sie zahlen»...ja, ich weiss wofür ich gleich mehrfach bezahle: für was, das ich nicht bestellt habe.
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