Gregor Rutz, die Aktion Medienfreiheit vermisst eine offene Debatte über den Service public (persoenlich.com berichtete). Mit Blick auf die zahlreichen Vorstösse zur Medienpolitik und zur SRG im Parlament findet seit Jahren eine Debatte statt. Was ist für Sie daran nicht «offen»?
Seit Jahren gehen Bundesrat, Bundesverwaltung und dann oft auch die Parlamentsmehrheit den heiklen Fragen aus dem Wege. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) hat in den vergangenen Jahren Dutzende Studien zur Bedeutung der SRG, zum Service public und zur Medienförderung präsentiert. Keine einzige Studie wurde mit Blick auf private Medien erarbeitet – diese scheinen im Bundeshaus nicht gross zu interessieren. Dabei sind es die privaten Medien, welche in unserer freien Demokratie für den Austausch verschiedener Meinungen und Standpunkte sorgen müssen. Sie sind die Adressaten, aber auch Träger der Meinungs- und Medienfreiheit. Im Bundeshaus herrscht die Idee vor, es sei unanständig, im Medienbereich Geld zu verdienen – nur wer Gebührengelder oder Subventionen beziehe, sei wirklich unabhängig. Eine absurde Vorstellung aus der sozialistischen Mottenkiste.
Eines Ihrer prioritären Anliegen ist es, die Rahmenbedingungen für private Medien «konsequent zu verbessern». Reicht das, um eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten, oder braucht es auch finanzielle Förderung, sei dies mit öffentlichen Mitteln oder durch Stiftungen?
Die medienpolitische Optik auf Bundesebene ist völlig veraltet: Man ist fixiert auf die Wünsche der SRG und auf Subventionsmöglichkeiten für Private. Dies ist gefährlich. Staatliche Medienförderung führt immer zu Abhängigkeiten. Wer zahlt, befiehlt. Darum ist klar: Wenn der Staat Geld verteilt, muss er Bedingungen definieren, Qualitätskontrollen durchführen und so weiter. Gleichzeitig werden die Geldempfänger bequem und richten ihre Tätigkeit nicht mehr nach den Kunden aus, sondern nach dem Geldgeber. Genau aus diesen Gründen wurde das Medienförderungspaket so deutlich abgelehnt: Die Leute wollen inhaltlich und finanziell unabhängige Medien. Sie haben erkannt, dass staatliche Förderungsmassnahmen immer zu Marktverzerrung führen. Dabei ist klar: Für Angebotsvielfalt kann nur der Markt sorgen – diese Aufgabe können wir nicht der Bundesverwaltung überlassen.
«Für die Onlineaktivitäten der SRG müssen Einschränkungen gelten»
Einigermassen überraschend stellen Sie zur Diskussion, der SRG Onlinewerbung zu erlauben, um mit den Erträgen private Medien zu unterstützen. Wie kommen Sie auf diese Idee?
Alle beklagen sich über den Abfluss von Werbegeldern zu den grossen Kommunikationsplattformen. Gerade für private Medien ist diese Entwicklung problematisch. Einerseits müssen sie ihre Plattformen besser verkaufen – da wurden in der Vergangenheit sicher Fehler gemacht. Andererseits könnte möglicherweise mit einer Aufhebung des Onlinewerbeverbots für die SRG ein grosser, brachliegender Teil des möglichen Werbeinventars aktiviert werden. Selbstverständlich kann dies aber nur unter Bedingungen und mit klaren Regeln geschehen. Für die Onlineaktivitäten der SRG müssen Einschränkungen gelten, um eine weitere Marktverzerrung und Konkurrenzierung der Newsportale privater Anbieter zu vermeiden.
Sie wollen gleichzeitig mit der Öffnung für Werbung das Onlineangebot der SRG einschränken. Das würde die kommerzielle Attraktivität schmälern. Wie geht das zusammen?
Die SRG-Portale sind auch attraktiv, wenn sie sich auf Audio- und Videobeiträge beschränken müssen. Zweitens müssten die Erträge aus dem Bereich der Onlinewerbung zwischen der SRG, Zeitungsverlagen und privaten elektronischen Medien hälftig aufgeteilt werden. Dies hätte verschiedene Vorteile. Einerseits würden die Einnahmeeinbussen der SRG durch die Senkung der Haushaltsabgabe respektive die Streichung der Mediensteuer für Unternehmen etwas abgefedert. Andererseits würden die privaten Akteure profitieren, wenn zusätzliche Gelder in die Nutzungsforschung oder eine Nachrichtenagentur investiert würden. Hierbei handelt es sich notabene nicht um staatliche Subventionen, sondern um privatwirtschaftlich generierte Erträge.
«Ich bin zuversichtlich, dass nun im dritten Anlauf diese überfällige Debatte zustande kommt»
Mit Blick auf die Zukunft der SRG sagen Sie, zuerst müsse über den Leistungsauftrag diskutiert und erst dann der Preis dafür festgelegt werden. Dieser Preis steht für Sie doch längst fest: 200 Franken pro Haushalt, wie Sie mit der SRG-Initiative fordern. Wie kann da eine offene Debatte stattfinden?
Die Forderung einer Senkung der Empfangsgebühren wurde vor 15 Jahren von Natalie Rickli erstmals lanciert: Damals ging es darum, eine Debatte über den Leistungsauftrag der SRG zu ermöglichen. Leider wurde diese Debatte im Rahmen der RTVG-Revision wieder abgewürgt: Der Leistungsauftrag sei in der Kompetenz des Bundesrats, das Parlament habe hier nichts zu sagen. Der Service-public-Bericht des Bundesrats von 2016 fiel enttäuschend aus. Den Vorschlag einer Senkung der Haushaltsabgabe auf 200 Franken brachte ich sodann als Gegenvorschlag zur «No Billag»-Initiative ins Spiel. Wiederum mit demselben Anliegen: Wir müssen endlich eine Auslegeordnung machen über die Rahmenbedingungen für private Medien und die Situation der SRG, welche immer mehr Aktivitäten ausserhalb ihrer Konzession wahrnimmt. Hier finden offenbar kaum Kontrollen statt; die Pantoffeldistanz zwischen Bakom und SRG überzeugte mich nie. Auch diese Diskussion wurde abgeklemmt; die neue SRG-Konzession wurde erlassen, ohne dass das Parlament irgendwie involviert worden wäre. Ich bin zuversichtlich, dass nun im dritten Anlauf diese überfällige Debatte zustande kommt. Dies aus dem einfachen Grund, weil die Leute sich bewusst sind, dass die Initiative angenommen wird, wenn nichts passiert.
Sie fordern eine «Konzentration der SRG auf ihren Kernauftrag», was unter anderem ein Verzicht auf reichweitenstarke Unterhaltungsformate bedeuten würde. Sind nicht genau diese Formate, ob bei der Unterhaltung oder im Sport, die Raison d’être eines Service public, der die ganze Schweiz vor dem Bildschirm zusammenbringt?
Der Service public hat eine subsidiäre Funktion: Der Staat muss nur eingreifen, wo der Markt nicht bereits entsprechende Angebote bereitstellt. Dies hat die Wettbewerbskommission in einem Bericht im Mai 2016 explizit festgehalten. Daher muss die SRG zum Beispiel im rätoromanischen oder italienischen Sprachraum sicher mehr Leistungen erbringen, während in der Deutschschweiz der Markt vieles bereits selber erbringt. Mit den Bereichen Bildung, Kultur und Information hat die SRG bereits einen sehr umfassenden Auftrag. Sie ist überdies auch nicht gleich auf Quoten angewiesen wie Private, da sich die SRG zu 80 Prozent aus Gebühren finanziert, während sich Private zu 100 Prozent aus Werbung, Sponsoring oder allenfalls Abonnenten refinanzieren.
Wenn in der Debatte, die Sie anregen, herauskäme, dass der Auftrag der SRG mit einer Haushaltsabgabe von 200 Franken nicht finanziert werden könnte, würden Sie dann die SRG-Initiative zurückziehen?
Diese Fragen stellt sich nicht jetzt. Die Frage nach der Gebührenhöhe können wir dann beantworten, wenn wir die erwähnte Auslegeordnung gemacht und den Leistungsauftrag der SRG beziehungsweise die neue Konzession diskutiert haben.
«Dass wir in dieser Frage am selben Strick ziehen, ist zu hoffen, klar»
Zwischen der Aktion Medienfreiheit und dem Komitee hinter der SRG-Initiative gibt es prominente personelle Überschneidungen, auch Sie sind in beiden Organisationen vertreten. Ziehen Aktion und Komitee am gleichen Strick?
Die Aktion Medienfreiheit und ihre Vorgängerorganisationen gibt es seit über 40 Jahren. Wir kämpfen für eine liberale Medienwelt und vertreten unsere Position in diversen Dossiers. Die nächsten medienpolitischen Geschäfte sind die Revision des Urheberrechts, die Plattformregulierung sowie diverse parlamentarische Vorstösse zur Medienförderung. Sodann kämpfen wir seit Monaten gegen die zunehmenden Forderungen für Werbeverbote. Auch die Frage der Gebührensenkung ist eine wichtige Frage. Sie betrifft primär die SRG und die Tatsache, dass dieser öffentlich finanzierte Betrieb zunehmend private Unternehmen konkurrenziert. Dass wir in dieser Frage am selben Strick ziehen, ist zu hoffen, klar.
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