28.10.2024

Radio Liechtenstein

«Die Zeit, um das Steuer zu drehen, war zu kurz»

In Liechtenstein hat das Stimmvolk eine Volksinitiative angenommen, welche die staatlichen Gelder für Radio Liechtenstein streichen will. Verwaltungsratspräsident Jürg Bachmann sagt, wie es für den Sender nun weitergeht und was der Entscheid mit Blick auf die Halbierungsinitiative in der Schweiz bedeutet.
Radio Liechtenstein: «Die Zeit, um das Steuer zu drehen, war zu kurz»
«Persönlich bin ich der Meinung, dass es am 31. Dezember 2025 kein Lichterlöschen geben darf»: Jürg Bachmann ist Verwaltungsratspräsident von Radio Liechtenstein. (Bild: zVg)

Jürg Bachmann, die liechtensteinische Stimmbevölkerung hat am Sonntag an der Urne dem öffentlich-rechtlichen Landessender Radio Liechtenstein den Stecker gezogen. Kommt dieser Entscheid für Sie überraschend?
Nein, wirklich überraschend kam er nicht. Es gab im Vorfeld genügend Signale in diese Richtung. Man muss sehen: Unser Team hatte erst seit dem Sommer die Möglichkeit zu zeigen, was es kann. Es hat in dieser Zeit ein grossartiges Radioprogramm gemacht. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gezeigt, was guten Radio ist – aus Liechtenstein für Liechtenstein. Dafür gehört ihnen ein grosses Kompliment. Aber die Vergangenheit von Radio Liechtenstein ist problembelastet. Viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, deren Aussage wir respektieren, haben Radio Liechtenstein mehr an der Vergangenheit gemessen und weniger an der Gegenwart. Das müssen wir akzeptieren und zeigen, dass wir auch künftig gutes Radio machen werden.

Woran lag es? Haben Sie zu wenig mobilisiert?
Ich bin erst seit Anfang 2024 Verwaltungsratspräsident und musste zuerst einige Altlasten lösen und bereinigen. Das ist speditiv gelungen. Wir konnten das Programm aber erst im Sommer umstellen und ganz auf Liechtenstein ausrichten. Parallel dazu haben wir eine breitangelegte Werbekampagne mit einem neuen Claim «Mis Land – mis Radio» lanciert. Wir haben zu einem Konzert eingeladen, an dem liechtensteinische Künstler aufgetreten sind. Unsere Redaktion hat die letzten zehn Tage jede Gemeinde in Liechtenstein besucht. Wir haben in kürzester Zeit enorm viel geleistet. Aber die Zeit, um das Steuer zu drehen war kurz, zu kurz leider.

«Persönlich bin ich der Meinung, dass es am 31. Dezember 2025 kein Lichterlöschen geben darf»

Kann man einen Rückschluss auf die Halbierungsinitiative ziehen?
Ich denke nicht direkt, dafür sind die Voraussetzungen zu unterschiedlich. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt in vielen Ländern Europas unter Druck und muss sich als demokratiepolitisch essenzielle Informationsquelle neben den privaten Medien immer klarer und nachvollziehbarer positionieren. Diese Diskussionen gibt es in der Schweiz und in Liechtenstein.

Was heisst das für Radio Liechtenstein? Stellt es seinen Betrieb ein?
Das Resultat heisst, dass das Liechtensteinische Rundfunkgesetz, das die Rechtsgrundlage für den Betrieb von Radio Liechtenstein bildet, per Ende 2025 ausser Kraft gesetzt wird. Will man weiterhin ein Radio in Liechtenstein, was uns die Politik heute einstimmig beteuert, braucht es eine neue Trägerschaft. Bevor man eine solche sucht und findet, werden wir uns über das künftige Produkt in Liechtenstein klar sein müssen. Das heisst über ein zweites tagesaktuelles Medium neben der Tageszeitung. Das wird vermutlich eine Kombination aus online – mobile first und einem linearen Radioprogramm sein. In diese Richtung werden wir suchen und schauen, wo es im deutschsprachigen Raum funktionierende Projekte gibt. Wir haben im VR und mit Hans Knobloch als Berater viel Know-how und ein ausgezeichnetes Netzwerk. Vor der politischen und finanziellen Diskussion braucht es also eine inhaltliche. Persönlich bin ich der Meinung – und werde mich auch dafür einsetzen –, dass es am 31. Dezember 2025 kein Lichterlöschen geben darf.

Wie haben die Mitarbeitenden auf den negativen Entscheid reagiert?
Ich war heute ab 11 Uhr im Radio und habe mit dem Team den Resultaten entgegengefiebert. Als die ersten eintrafen, waren sie natürlich enttäuscht, wie ich auch. Sie haben in den letzten Wochen alles gegeben und wurden für Fehler der Vergangenheit abgestraft. Das ist schon hart. Aber sie haben es professionell aufgenommen, die Resultate am Sender vermeldet und mit allen Parteien Gespräche geführt. Ab morgen werden sie ebenso professionell Radio machen, weil Radio Liechtenstein eine Zukunft haben soll und wird.

«Ich bin überzeugt, dass das neue Projekt Radio Liechtenstein eine Zukunft hat»


Hat ein werbefinanziertes Radio in Liechtenstein eine Chance?
Derzeit nicht. Das anzunehmen, wäre blauäugig. Es hat ja im Abstimmungskampf auch niemand Vorschläge gemacht, wie das gehen soll. Wir müssen uns jetzt zuerst damit beschäftigen, was ein künftiges tagesaktuelles Medium in Liechtenstein bieten muss, also eine Produktdiskussion führen. In dieser Zeit werden wir den Werbekundinnen und -kunden zeigen, dass ihre Werbung auf Radio Liechtenstein weiterhin eine gute Investition ist. Wir lassen uns da nicht entmutigen und sind von der Qualität unseres Produkts überzeugt.

Bleiben Sie an Bord?
Ja. Ein so tolles Team lässt man nicht im Stich. Und ich bin überzeugt, dass das neue Projekt Radio Liechtenstein eine Zukunft hat.

Wie verbringen Sie den Abend?
Ich war den ganzen Nachmittag mit dem Team zusammen im Radio. Wir haben mit dem Team versucht, das Resultat zu verdauen und Zukunftspläne geschmiedet. Besonders gefreut hat mich, dass uns auch unsere zuständige Medienministerin Sabine Monauni, im Radio besucht und mit dem Radioteam Gespräche geführt hat. Das war gut und wichtig. Sabine Monauni hat sich im Landtag und im Abstimmungskampf grossartig für Radio Liechtenstein eingesetzt. Dafür sind wir ihr sehr dankbar. Jetzt fahre ich zurück nach Zürich und werde zuhause zu Abend essen. Schon heute und erst recht ab morgen werde ich mich mit der Zukunft von Radio Liechtenstein und seinem Programm beschäftigen. Jede verlorene Abstimmung regt zum Nachdenken an und öffnet auch Chancen.


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