02.11.2000

Drohende Engpässe bei den Papierlieferanten

Die gute Wirtschaftslage hat eine starke Nachfrage nach Papier ausgelöst, die von den Produzenten weltweit kaum mehr gedeckt werden kann. Auch in der Schweiz droht Papier zur Mangelware zu werden. "persoenlich.com" wollte von Max Fritz (Bild), Direktor des Verbandes der Schweizerischen Zellstoff-, Papier- und Kartonindustrie, wissen, wann die ersten Schweizer Zeitungen ihren Umfang verkleinern müssen. Das Interview:
Drohende Engpässe bei den Papierlieferanten

Woher beziehen die Schweizer Zeitungsverlage ihr Papier?

Vor allem über den heimischen Markt. Der Marktanteil von Schweizer Papier liegt bei rund 60 Prozent. Die Produzenten sind Utzenstorf, Perlen und Zwingen.

In den Schweizer Druckereien droht Papier zur Mangelware zu werden. Was sind die Gründe?

Sicherlich die weltweit grosse Nachfrage nach Papier, welche auf einem günstigen Konjunkturklima basiert. Namentlich von der europäischen Papierindustrie kann man sagen, dass sie in mehr als robuster Verfassung ist. Europas Anteil am weltweiten Output von Papier und Karton ist von 26 Prozent (1990) auf 28 Prozent gestiegen. Der Trend zur Grösse und die Steigerung der Produktivität, die wir auch in der Schweiz in letzter Zeit erlebt haben, werden auch international anhalten.

Worauf gründet denn dann der drohende Engpass?

Obwohl laufend mehr produziert wird, hat die steigende welt- resp. europaweite Nachfrage zu Verknappungserscheinungen geführt. Hintergrund für die gestiegene Nachfrage ist wie bereits erwähnt die gute Wirtschaftslage. Eine europaweit anziehende Konjunktur verlangt nach mehr Papier, und das nicht nur im Bereich der boomenden Gratiszeitungen oder Stellenanzeiger. Im Printbereich hat der Papierverbrauch generell stark zugenommen. Auch hochwertiges Papier ist wieder gefragt. Generell ist zu sagen, dass die Branche sehr gut ausgelastet ist. Man sagt ja auch, dass unsere Branche ein eigentlicher Konjunkturbarometer ist.

Wie reagieren denn nun die Papierproduzenten auf die ständig steigende Nachfrage?

Es ist ein Faktum, dass die meisten Unternehmen an den Grenzen ihrer Kapaziät laufen. Angesichts der hohen Investitionskosten und der Komplexität der Infrastruktur dauert die Einrichtung einer neuen Papiermaschine entsprechend lang. Der Aufbau neuer Kapazitäten erfolgt deshalb nicht über Nacht. Die Papierfabrik Perlen, ein grosser Schweizer Zeitungspapierlieferant, hat bekanntlich erst kürzlich eine neue Maschine (PM4) in Betrieb genommen. In der heutigen Marktsituation wohl ein Glücksfall.

Drohen nun frappant ansteigenden Papierpreise?

Die Papierknappheit hat bereits an verschiedenen Orten und mehrfach zu Preisanhebungen geführt. Und die Aufschlagsrunde ist sicherlich noch nicht abgeschlossen. Dass ein echter Engpass bereits eingetreten ist, ist nicht wegzudiskutieren. Andererseits bin ich mir sicher, dass die Branche alles daran setzen wird, der gestiegenen Nachfrage Herr zu werden.

Wurde bereits ein Krisenszenario entworfen?

Auf Seiten der Papierindustrie nicht. Die Abnehmer hingegen machen sich sicherlich ihre Gedanken. Man soll aber bloss nicht glauben, dass die Papierindustrie jetzt ihren grossen Reibach macht: Trotz sehr guter Auslastung hat generell die Ertragslage vorübergehend gelitten. Unser Problem sind die hohen Preise für unsere Rohstoffe. So steigen nicht nur die Papierpreise, sondern auch die Preise für hochwertige Zellstoffe, Altpapier und Holzfasern. Kosten, die sich nicht einfach so auf die Kunden überwälzen lassen.


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