05.12.2023

Peter Studer

Er war eine publizistische Führungspersönlichkeit

Weggefährtinnen und Zeitgenossen würdigen das Wirken des verstorbenen Medienrechtlers und Publizisten. Sie zeichnen das Bild einer hochkompetenten, humorvollen Persönlichkeit, ja eines Herzensmenschen.
Peter Studer: Er war eine publizistische Führungspersönlichkeit
Peter Studer als Chefredaktor des Schweizer Fernsehens DRS in den 1990er-Jahren. (Bild: SRF)

Im Alter von 88 Jahren ist Peter Studer am vergangenen Samstag gestorben. Wie seine Familie am Montag mitteilte, ist er «nach einem reich erfüllten Leben» friedlich eingeschlafen (persoenlich.com berichtete).

Der Jurist und Medienrechtler war in seinem Berufsleben unter anderem Chefredaktor vom Tages-Anzeiger und Schweizer Fernsehen sowie Präsident des Schweizer Presserates und des Schweizer Kunstvereins. 

Wegbegleiterinnen und Zeitgenossen würdigen sein Wirken:

Rena Zulauf, Rechtsanwältin und Medienrechtlerin
Peter Studer war ein wichtiger Mentor für mich. Wir hielten gemeinsam Vorlesungen, kooperierten bei Mandaten und tauschten uns regelmässig beim Lunch zu Aktualitäten im Medienrecht aus. Er erwartete mich im Restaurant stets mit einem Stapel Fälle, die er besprechen wollte, und er war der einzige, mit dem ich über Mittag ein Gläschen Weisswein trank. Peter war aufrichtig, authentisch, direkt und ein Herzensmensch. Ich vermisse Peter. Seiner Frau und seiner Familie spreche ich mein liebevolles Beileid aus.

Roger Schawinski, Medienunternehmer
Ich schätzte Peter Studer immer für seinen Humor und seinen Sportsgeist. Keiner konnte so vergnügt lächeln wie er, und er tat dies selbst in Gesprächen, die kontrovers verliefen. Als ich ihn einmal ermunterte, den Züri-Marathon zu bestreiten, um herauszufinden, wer in dieser Disziplin der Bessere von uns beiden sei, sagte er sofort zu. Er nahm diesen Wettkampf an, obwohl er wusste, dass er wegen unseres doch beträchtlichen Altersunterschieds praktisch chancenlos war. Doch im Ziel lächelte er das locker weg. Kennengelernt hatten wir uns in jener Zeit, als er Chefredaktor des Tages-Anzeigers war. Ich hatte eben Radio 24 gegründet und Studers linke Medienredaktoren hatten mich pausenlos wegen meines «Kommerzsenders» gescholten. Unvergessen blieb mir ein Gespräch, das ich angeregt hatte, zu dem er auch seinen Medienredaktor Peter Niklaus Trösch geladen hatte. Ich legte meine Beweise vor, die eine feindliche, unseriöse Berichterstattung belegen sollten. Darauf sagte Trösch im Büro seines Chefs: «Roger, wir haben beide etwa gleichzeitig mit dem Journalismus begonnen. Jetzt bist du reich und ich bin immer noch hier». Darauf antwortete ich: «Danke, Peter, jetzt habe ich endlich verstanden. Dann müssen wir nicht mehr weiter diskutieren.» Peter Studer hörte sich das alles an, und bald darauf verabschiedete er uns lächelnd. An der Berichterstattung des Tages-Anzeigers über mein Radio 24 änderte sich danach nicht das Geringste. Erst nach Studers Amtszeit kaufte die Tamedia meine Belcom-Gruppe, mit Radio 24 als Aushängeschild und Ertragsperle.

Roger Blum, emeritierter Professor der Medienwissenschaften
Was Peter Studer auszeichnete, war seine Fairness. Er wollte guten, interessanten, relevanten Journalismus, aber keinen, der das Publikum beleidigt. Er war allem Extremen abhold. Als Chefredaktor des Tages-Anzeigers verlangte er anfangs der 1980er-Jahre, dass das Blatt die Jugendbewegung korrekt und mit Erkenntnisinteresse spiegelt, sie aber nicht glorifiziert. Damit waren besonders linke Redaktionsmitglieder nicht einverstanden. Einer von ihnen, Redaktor Heiner Schoch, der bei Nacht und Nebel nach Asien verschwand, hinterliess eine Tonkassette voller Anklagen gegen den Chefredaktor. Was tat Peter Studer? Er versammelte die ganze Redaktion, spielte ihr das Tondokument vor – und hielt an seinem Kurs fest. Die Blattlinie des Tages-Anzeigers definierte er als «um Haaresbreite links der Mitte». Er wollte gute Geschichten im Blatt – und er baute die Zeitung um, änderte die Architektur und führte dabei unter anderem die Hintergrundseite ein. Obwohl er als Chefredaktor eine Idealbesetzung war, folgte er den Lockungen von Tamedia-CEO Heinrich Hächler und liess sich zum «publizistischen Leiter» des Unternehmens machen – ein Posten, auf dem er sich dauernd Hohn und Spott der anderen Geschäftsleiter gegenüber dem Journalismus anhören musste. Genervt verliess er sein Stammblatt und wurde dann Chefredaktor des Schweizer Fernsehens SRF. Auch dort spielte er seine Fairness aus, auch dort sorgte er für Innovationen, indem er beispielsweise die Sendung «10 vor 10» gründete. Im letzten Abschnitt seiner publizistischen Laufbahn war er Präsident des Schweizer Presserates. Noch einmal sorgte er für Veränderungen, indem es ihm gelang, die Verleger und die SRG in die Presserats-Stiftung einzubinden. Und wiederum leitete ihn die Fairness, denn der Ratgeber, den er zusammen mit Martin Künzi auf der Grundlage der Pressratsarbeit verfasste, heisst: «So arbeiten Journalisten fair» (2011). Es ging ihm um Grundsätzliches, nochmals mit dem Buch «Medienqualität durchsetzen» (2012), das er zusammen mit Vinzenz Wyss und Toni Zwissig machte. Peter Studer wird nicht als Journalist in Erinnerung bleiben, der brillante Reportagen schrieb oder spektakuläre investigative Enthüllungen veröffentlichte, sondern als einer, der als publizistische Führungspersönlichkeit Massstäbe für guten Journalismus setzte. Er hat auf seine Art Journalismusgeschichte geschrieben.

Vinzenz Wyss, Medien- und Kommunikationswissenschaftler ZHAW
Die Begegnungen und das gemeinsame Schaffen mit Peter Studer waren für mich als Journalistikprofessor der ZHAW wichtig, inspirierend und nachhaltig. Die jungen Studierenden schätzten in den unzähligen Vorlesungen zu den Themen Medienrecht und Medienethik sein umfassendes und präzises Fach- und Erfahrungswissen und insbesondere seine augenzwinkernde Art in der Vermittlung auf Augenhöhe. In bester Erinnerung bleibt mir die engagierte und konstruktive Zusammenarbeit mit ihm als Präsident des Schweizer Presserates, als dieser mich mit Studien zur wahrgenommenen Wirkung der Beschwerdeinstanz beauftragt hat. Unvergesslich sind die inspirierenden Spaziergänge am Vierwaldstättersee unweit vom «Haus am See» unterhalb der Villa Krämerstein, in dem wir Ideen über gemeinsame Lehrveranstaltungen und Publikationen zum Thema «Fairness und Transparenz im Journalismus» austauschten. Es war seine wertschätzende und beinahe kollegiale Art, die mir – einem jungen Professor mit offensichtlich begrenzter Erfahrung – überaus geschmeichelt hat. Unsere Gespräche mündeten in dem Buch «Medienqualität durchsetzen», das wir zu dritt mit dem ehemaligen Ausbildungsleiter vom Schweizer Fernsehen, Toni Zwyssig, verfasst haben und das 2012 endlich als «Leitfaden zur Qualitätssicherung in Redaktionen» erscheinen konnte. Höhepunkt der fruchtbaren Begegnungen mit Peter waren all die zahllosen Autorensitzungen in seiner Wohnküche, in seinem Atelier mit moderner Kunst soweit das Auge reicht oder auf der Terrasse mit Weitsicht auf den Zürichsee. Und ja: nach getaner Arbeit durften der Schwumm im See oder das obligate «Gläsli Wisse» nie fehlen. Der scharfsinnige und reflektierte Journalist wird der Branche fehlen – nicht zuletzt seine zumal spitzen Kommentare am jährlichen Journalismustag des Vereins für Qualität im Journalismus, an dem das engagierte Mitglied und der respektierte Berufskollege bis ins hohe Alter fast immer zugegen war.

Mark Eisenegger, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung Uni Zürich 
Peter Studer war von 2012 bis 2019 Stiftungsratsmitglied unserer Kurt-Imhof-Stiftung für Medienqualität, welche das Projekt «Jahrbuch Qualität der Medien» fördert und unterstützt. Medienqualität war das Herzensthema Peter Studers. Entsprechend hat er sich mit Herzblut in unserer Stiftung engagiert. Er hat keine Sitzung ausgelassen, er war ein engagierter Debattierer und hat die Forschung des Jahrbuchs nachhaltig geprägt. Bereits sehr früh mahnte Peter Studer an, Social Media in unsere Analysen einzubeziehen oder die Effekte der Medienkonzentration auf die journalistischen Inhalte zu untersuchen. 2014 steuerte er eine wichtige Studie zur Bedeutung und Funktion der Presseräte bei. Auch die Förderung der Medienkompetenz war ihm ein grosses Anliegen. Daraus entstand später die Idee, mit Projekten wie «Check News» die Medienkompetenz zu fördern. Peter Studer wird mir auch als grosser Motivator in Erinnerung bleiben: Er ermunterte uns wie kein anderer zum Weitermachen, wenn unsere Forschung auch mal auf Widerstand stiess. Die Kurt-Imhof-Stiftung für Medienqualität und das ganze Team des fög verdanken Peter Studer enorm viel. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Jean-Pierre Hoby, Nachfolger von Peter Studer als Präsident des Schweizer Kunstvereins
Peter Studer wusste um die Bedeutung und Wichtigkeit der Medienarbeit. Im Vordergrund stand für ihn die Verständlichkeit von Publikationen. So war es ihm ein besonderes Anliegen, dass auch die Texte im Kunstbulletin für alle Leserinnen und Leser nachvollziehbar waren. «Abgehobener Speech» war ihm ein Gräuel. Kunst durfte nicht von oben herab doziert, sondern musste auf Augenhöhe vermittelt werden. Er war uns ein aussergewöhnlicher Lehrmeister.

Roger de Weck, Chefredaktor Tages-Anzeiger (1992–1997) und Generaldirektor SRG (2011–2017)
Peter Studer ging es um die Sache, nie um seine Person. Er verkörperte als ein Bürgerlicher Tugenden, die im alten und besten Wortsinn bürgerlich waren: den Willen zum argumentativen Austausch anstelle des Schlagabtauschs; die Abneigung gegen Polemik zugunsten des erkenntnisorientierten Diskurses; die Offenheit für unbequeme Meinungen und andere Denkweisen, ja die Neugierde auf Kritik; der Respekt vor den eidgenössischen Institutionen als Orte demokratischer Verständigung; die Achtung des Rechtsstaats, angefangen natürlich bei den Menschenrechten als einer Errungenschaft der bürgerlichen Revolutionen von 1776 in Amerika und 1789 in Frankreich; damit verbunden die ruhige und massstäbliche Verteidigung – als Bürger, Oberst, Journalist, Jurist, Medienrechtler – der Freiheit. Gerade auch der äusseren wie der inneren Pressefreiheit: Chefredaktor Studer wehrte Versuche der Einflussnahme durch Politik, Werbetreibende oder Verlagsleute diskret und entschlossen ab, in der Regel erfolgreich. Auch sein Präsidium des Presserates war ein Dienst an der Freiheit, indem er sie gegen Missbrauch schützte. Seine Amtszeit an der Werdstrasse war eine Blütezeit des «Tages-Anzeigers» und seines «Magazins», die eine klare und kritische Linie hatten, aber dank ihm und seiner Liberalität keinen ideologischen Kurs einschlugen. In seiner Amtszeit an der Fernsehstrasse prägte er eine redaktionelle Haltung weit weg vom allzu journalistischen Gehabe, zugunsten einer für das breiteste Publikum zugänglichen Qualität der Information. Im Alter war er erst recht der Grandseigneur, der gleichzeitig über den Dingen stand und engagiert für demokratische Liberalität einstand. Noch immer ging es ihm um die Sache: die öffentliche Sache.


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