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Zuckerbergs gefährliche Kehrtwende

Meta-CEO Mark Zuckerberg schafft das Faktencheck-System auf seinen Plattformen in den USA ab und läutet damit eine neue Ära für die digitale Öffentlichkeit ein (persoenlich.com berichtete). Über diese Entwicklung darf man zurecht besorgt sein.

Zuckerberg macht eine 180-Grad-Wende – genau vier Jahre, nachdem Donald Trumps Kontos wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol gesperrt wurden. Meta sendet mit der angekündigten Lockerung von Content-Richtlinien ein klares Signal: Der Konzern vollzieht eine strategische Neuausrichtung, insbesondere bei den hochsensiblen Themen Migration und Geschlecht.

Der Ersatz unabhängiger Faktenprüfer durch ein System ähnlich den «Community Notes» von X (Twitter) ist problematisch. Damit wird die Verantwortung für die Wahrheitsfindung an eine Community übertragen, die selbst immer mehr polarisierte Diskussionen führt. «Mit Trump im Rücken kann Zuck wieder ‹move fast and break things› spielen», schreibt Adrienne Fichter, Tech-Journalistin der Republik, in einem LinkedIn-Post. Sie ist überzeugt: Zuckerberg hätte «denselben Move mit Harris als Präsidentin» nicht gemacht. Doch schreibt sie auch, dass dieses «von ihm eingerichtete ‹Pseudo-Supreme Court» von Beginn weg «dysfunktional aufgestellt» gewesen sei und nie funktioniert habe.

Dennoch: Tür und Tor für organisierte Desinformation öffnen sich, wenn der weltweit grösste Social-Media-Konzern die Verantwortung für die Integrität öffentlicher Debatten aufgibt und stattdessen auf «Engagement» setzt. Auch wenn die Änderung vorerst nur die USA betrifft: Was Meta dort praktiziert, hat oft Signalwirkung für andere Märkte. Die Aufgabe des Faktenchecks bedeutet dabei nicht mehr Meinungsfreiheit, sondern erschwert den gesellschaftlichen Kampf gegen Desinformation – eine Entwicklung, die auch Europa genau beobachten sollte.



Christian Beck ist Redaktionsleiter von persoenlich.com.

 

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