Wie funktioniert digitale Werbung ohne Cookies? Dieser Branchen-Dauerbrenner stand beim mittlerweile traditionellen «IAB Talk 2024» im Zürcher Club Bellevue einmal mehr im Vordergrund. Dass das Thema interessiert, zeigte sich bereits an den vollen Rängen. Über 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten gespannt die Ausführungen von Jochen Witte, Projektleiter OneID, Norman Wagner, Managing Director Germany Utiq, Robin Scharlau, Lead Director Business Development The Trade Desk, sowie Toon Coppens, Director Advertising Data & AI at DPG Media Bene DPG Media.
Die Datenschutzrichtlinie der EU (DSGVO) sowie das Schweizer Datenschutzgesetz (DSG) sehen vor, dass keine Cookies und Tracker vor der vorherigen Zustimmung des Nutzers gesetzt werden dürfen, ausser denen, die für die Grundfunktion einer Website unbedingt erforderlich sind. Diese Regelung verursachte in der Digitalbranche grosse Verunsicherung, da das Zielgruppen-Targeting und damit verbundene Erlösströme so massiv erschwert werden. Martin Radelfinger, Präsident des IAB Switzerland, betonte in seiner Einleitung, dass es sich dabei um das wichtigste Branchenthema überhaupt handle.
Über 800'000 OneID-User in der Schweiz
Im Open Web – also auf Publishern ausserhalb der grossen Technologieplattformen – werden jährlich über 140 Milliarden Dollar Werbegelder weltweit umgesetzt. Durch den Verlust der Cookies gingen bis heute zwischen 52 und 78 Prozent des Umsatzes verloren, bei dem man die User nicht mehr identifizieren könne, betonte Toon Coppens. Gerade in Belgien und Holland erreiche man durch eine gemeinsame eigene ID-Lösung mittlerweile rund 60 Prozent der Userinnen und User. Coppens betonte, dass erst durch eine verstärkte Zusammenarbeit verschiedener Medienhäuser auch eine optimale Lösung erzielt werden könne.
Dies bestätigte Jochen Witte, der im Auftrag von Ringier Advertising, der Goldbach Gruppe, Audienzz und CH Media an einer schweizweit verfügbaren ID Lösung – der OneID – arbeitet. Witte betonte, dass die Schweiz keineswegs im isolierten Raum agieren wolle, aber aufgrund der Besonderheiten des Marktes und der hohen Kooperationsbereitschaft der Medienhäuser eine pragmatische eigene Lösung am zielführendsten sei. Witte unterstrich, dass bereits über 800'000 OneIDs genutzt würden. Ziel sei, die über drei Millionen Nutzer zu erschliessen, die sich bereits heute auf einem der vermarkteten Angebote der vier Partner einloggen. Beim plattformübergreifenden Login hingegen seien die User noch zurückhaltender.
Mit den dadurch erzielten Daten wollen die Schweizer Medienhäuser eine Marktmacht gegenüber den internationalen Techgiganten aufbauen. Unlängst forderte Mitte-Präsident Gerhard Pfister den Beitritt der SRG zur Login-Allianz. Nach seiner Ansicht müssten auch die SRG-Beiträge hinter einer Digitalschranke sein. Dies wäre ein Befreiungsschlag, so Pfister gegenüber persoenlich.com, und würde garantieren, dass ein Teil der Werbung, die an ausländische Konzerne geht, in der Schweiz bleiben würde.