Der globale Medien- und Marketingdienstleister Dentsu hat seine aktualisierte Consumer Vision 2035 vorgestellt. Die Studie, basierend auf Befragungen von über 30'000 Menschen in 27 Ländern sowie Experteneinschätzungen, beleuchtet die technologischen und gesellschaftlichen Trends, die das Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbrauchern in den kommenden Jahren prägen werden. Auch aus der Schweiz flossen Erkenntnisse aus den Umfrageergebnisse in die Studie ein, wie es in einer Mitteilung vom Dienstag heisst.
Die Untersuchung identifiziert vier zentrale Entwicklungen:
1. Der digitale KI-Klon
In Zukunft werden demnach Verbraucher immer mehr Vertrauen in neue Technologien setzen und dabei insbesondere KI-Assistenten einen grossen Teil ihrer täglichen Aufgaben überlassen. Die Bereitschaft dazu ist im Zusammenhang mit dem Start von ChatGPT im November 2023 deutlich gestiegen.
In der Schweiz können sich derzeit etwa 25 Prozent der Befragten vorstellen, in den nächsten zehn Jahren einen speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen «KI-Klon» zu nutzen, der für sie Einkaufs-, Verwaltungs- und Kommunikationsaufgaben übernimmt und die Persönlichkeit des menschlichen Vorbilds exakt imitiert. Die Chancen stehen laut Mitteilung gut, dass daraus ein völlig neues digitales Geschäftsfeld entsteht.
In einer Welt der KI-Klone werde Technologie noch nahtloser integriert sein und kaum noch ein menschliches Eingreifen erfordern. KI in Verbindung mit Augmented Reality werde die Art und Weise wie wir kommunizieren und arbeiten revolutionieren.
2. Neue gesellschaftliche Paradigmen
Der Klimawandel, technologische Fortschritte und das globale Bevölkerungswachstum werden die Lebensweise und kulturelle Entwicklung beeinflussen. Vor diesem Hintergrund werden auch Unternehmen gezwungen sein, ihre Wertschöpfung zu überdenken und neu auszurichten, schreibt Dentsu dazu.
Im Zusammenhang mit den prognostizierten Klimaveränderungen gaben 66 Prozent der Befragten aus der Schweiz an, dass sie bis 2035 damit rechnen, ihre Alltagsgewohnheiten, Arbeitszeiten und Freizeitaktivitäten aufgrund steigender Temperaturen anpassen zu müssen. Dies wird sich auf viele Bereiche auswirken: In der Medien- und Unterhaltungsbranche könnten Sportereignisse zu radikal anderen Zeiten übertragen werden, um die Gesundheit der Sportler zu schützen. Die Stosszeiten im Lebensmittelhandel könnten sich in die späten Abendstunden verlagern und in der Reisebranche könnten ganz neue oder ungewohnte Urlaubsziele entstehen.
Bis 2035 werden vor allem die demografische Entwicklung und das Wirtschaftswachstum in den Schwellen- und Entwicklungsländern prägend sein, während fortgeschrittene Volkswirtschaften an die Grenzen ihres Wachstums stossen werden. Vor allem Afrika wird als Absatzmarkt und Produktionsstandort an Bedeutung gewinnen, da die Zahl der Erwerbstätigen dort rapide ansteigen wird. Diese Entwicklung wird die Unternehmen veranlassen, verstärkt zu investieren
Das Vertrauen in traditionelle Institutionen wird stark abnehmen und gleichzeitig werden Plattformen wie Web 3.0 die Zusammenarbeit über Steuerungs- und Regelungssysteme in Gemeinschaften revolutionieren und damit den Einfluss der Verbraucher erheblich stärken. Unternehmen und Regierungen müssen daher ihre Machtstrukturen dezentralisieren, um das Vertrauen in ihre Institutionen zurückzugewinnen beziehungsweise zu erhalten. Diese Dezentralisierung wird entscheidend sein, um Wachstum zu fördern und aufstrebende Märkte zu unterstützen.
Künstliche Intelligenz wird laut Studie die Unterhaltungslandschaft verändern und innovative Technologien einführen, die nicht nur das Zuschauererlebnis verbessern, sondern auch kreative Ausdrucksformen neu definieren. Verbraucher werden verstärkt nach Authentizität in nutzergenerierten Inhalten suchen, während Mainstream-Studios KI einsetzen werden, um die Effizienz ihrer Produktionen zu steigern. Bei der Suche nach Media- und Entertainment-Partnerschaften werden Marken neue Ansätze verfolgen müssen, um der wachsenden Relevanz insbesondere von nutzergenerierten Inhalten Rechnung zu tragen, sich vom Wettbewerb abzuheben und Zielgruppen passgenau anzusprechen.
3. Consumer (Ec)Centricity
Konsumentscheidungen unterliegen immer stärker der aktuellen Stimmungslage der Verbraucher. So geben 60 Prozent der Befragten in der Schweiz an, dass sie sich in der direkten Auseinandersetzung mit einer Marke sehr stark von ihrer jeweiligen Stimmung und ihren Leidenschaften leiten lassen.
Folglich ist knapp die Hälfte (49 Prozent) der eidgenössischen Befragten der Meinung, dass Marken in der Lage sein sollten, ihre momentane Stimmung zu verstehen. Da die Verbraucher immer exzentrischer werden, erfordert dies eine Optimierung des Kundenerlebnisses. Marken müssen die Wünsche der Konsumenten antizipieren, um sich zu differenzieren – sie müssen den Kunden kennen, denn es wird nicht mehr ausreichen, nur zu reagieren.
Durch diesen vielschichtigen psychologischen Prozess wird der Umgang mit personenbezogenen Daten neue Formen annehmen. Verbraucherdaten werden nicht mehr nur unter dem Gesichtspunkt Datenschutz betrachtet, sondern zunehmend als kommerzielles Produkt digitaler Interaktion. Immer mehr Unternehmen werden Fähigkeiten und Dienstleistungen entwickeln, die es den Nutzern ermöglicht, ihre persönlichen Daten als eine Form geistigen Eigentums zu verwalten und möglicherweise auch zu monetarisieren.
4. Marken müssen überraschen
Marken müssen es schaffen, in die Welt ihrer Kunden einzutauchen, um deren Aufmerksamkeit und Loyalität zu gewinnen. 70 Prozent der Schweizer Verbraucher gaben in der Umfrage an, dass sich eine Marke am besten dadurch abhebt und ihre Loyalität verdient, wenn sie dies auf unerwartete und völlig neue Weise tut. Dieser Anspruch ist nicht neu, aber Marken werden es in Zukunft nicht mehr nur mit einem Konsumenten in Menschengestalt zu tun haben, sondern auch mit entsprechenden KI-Assistenten. Um diesen Herausforderungen in Zukunft gerecht zu werden, bedarf es algorithmischer und weitreichender Allianzen mit KI-Systemen. Auch der emotionale Zustand der Verbraucher wird zunehmend überwacht und vorhergesagt werden können und von Marken wird erwartet, dass sie diese emotionalen Muster erkennen.
«Wir sind überzeugt, dass die Analyse von Makrotrends entscheidend ist, um die zukünftigen Herausforderungen besser zu verstehen», wird Lara Jelinski, Dentsu CEO Media Switzerland, in der Mitteilung zitiert. «Mit unserer Consumer Vision 2035 möchten wir die vier erkannten Megatrends verständlich machen und auf dieser Grundlage die Planung von Prioritäten und Zielen optimieren. Um in den 2030er-Jahren erfolgreich zu sein, sollten Marken vom Verstehen zum Vorausdenken übergehen und den Verbrauchern emotionale sowie intuitive Lösungen bieten, die nicht nur ihre Markenwahl beeinflussen, sondern auch sicherstellen, dass diese Marke in einer von KI dominierten und kulturell veränderten Welt überhaupt wahrgenommen wird.» (pd/cbe)