Im Rahmen einer so genannten abstrakten Kontrolle prüfte das Bundesgericht in zwei am Freitag veröffentlichten Urteilen die Rechtmässigkeit von Artikel 3 und 4 des gerügten Reglements von Vernier. Es ist zum Schluss gelangt, dass kein unzulässiger Eingriff in Grundrechte festzustellen ist. Das Reglement stelle keine nach Artikel 94 der Bundesverfassung verbotene wirtschaftspolitische Massnahme dar.
Es verfolge keine derartigen Ziele und bezwecke keine Einflussnahme auf den freien Wettbewerb. Das Verbot ziele vielmehr darauf ab, das Ortsbild zu schützen. Zudem solle damit die Bewegungsfreiheit der Menschen im öffentlichen Raum verbessert, die visuelle Verschmutzung bekämpft und der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben werden, sich unerwünschter Werbung zu entziehen. Es handle sich dabei um umwelt- und sozialpolitische Zielsetzungen, die im öffentlichen Interesse lägen.
Der mit dem Verbot kommerzieller Plakatwerbung verbundene Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und in die Eigentumsgarantie ist laut Bundesgericht zulässig. Das Verbot basiere auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, beruhe auf einem überwiegenden öffentlichen Interesse und sei verhältnismässig. Die Rechte von Plakatgesellschaften oder anderen wirtschaftlichen Akteuren, die ihre Produkte oder Dienstleistungen bekannt machen wollten, würden nicht übermässig beschränkt. Für Werbung gebe es unzählige andere Möglichkeiten.
Privatgrund mitbetroffen
Ein stärkerer Grundrechtseingriff sei das Verbot kommerzieller Plakatwerbung auf privatem Grund, der von öffentlichem Grund einsehbar ist. Auch diese Einschränkung sei jedoch verhältnismässig. Ohne Ausweitung auf Privatgrundstücke könne das Verbot kommerzieller Plakatwerbung auf öffentlichem Grund umgangen werden, womit die angestrebten Ziele nicht erreicht würden.
Im Weiteren liegt gemäss den Erwägungen des höchsten Schweizer Gerichts auch keine Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung von Konkurrenten vor. In Bezug auf erlaubte Plakatwerbung – etwa für kulturelle und sportliche Veranstaltungen - sei angesichts der unterschiedlichen Werbeinhalte keine Ungleichbehandlung erkennbar. Schliesslich sei das Verbot auch mit der Meinungsäusserungsfreiheit vereinbar.
Der Gemeinderat der Stadt Vernier verabschiedete 2022 das Reglement zum Verbot von kommerzieller Plakatwerbung. Es untersagt kommerzielle Plakat- und Anzeigenwerbung auf Papier, die von öffentlichem Grund aus sichtbar ist. Das Verbot gilt unabhängig davon, ob sich die Werbung auf öffentlichem oder privatem Grund befindet. Das Referendum gegen das Reglement kam nicht zustande. Ende Juli 2023 trat es in Kraft. Die Gemeinde Vernier demontierte in der Folge 132 der bisher 172 Plakatwände. (Urteile 2C_36/2023 und 2C_38/2023 vom 5.6.2024) (sda/cbe)
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08.07.2024 06:21 Uhr
05.07.2024 15:29 Uhr