Herr Hanan, Herr Zehnder, herzliche Gratulation, Webrepublic feiert ihr 15-jähriges Bestehen. Ein kurzer Blick zurück. Was bedeutet dieser Geburtstag für Sie?
Tom Hanan: Eine spannende Zeitreise. Als wir vor 15 Jahren Webrepublic gründeten, waren wir noch eine Two-Man-Show. Mittlerweile beschäftigen wir über 200 Mitarbeitende und sind damit die grösste unabhängige und inhabergeführte Agentur der Schweiz. Beim Start konnten wir uns eine solche Entwicklung überhaupt nicht vorstellen. Heute sind wir ein fixer Bestandteil im Schweizer Markt, den wir zusammen mit unseren Kunden prägen.
Wie hat denn alles begonnen?
Hanan: Kurz nach meinem Studium fing ich bei Yahoo an zu arbeiten. Als das Unternehmen seine Zürcher Dependance schloss, ging ich erstmals segeln und habe als Skipper gearbeitet. Noch bevor ich abflog, hat mich mein Vater ermutigt, mich blind bei einem neuen Start-up mit dem Namen Google zu bewerben. Von dem hatte ich ihm schon öfters erzählt. Irgendwann auf hoher See bekam ich die Chance, den Interviewprozess zu starten, in den Larry Page, damaliger CEO, direkt involviert war. Glücklicherweise bekam ich eine Jobzusage, kehrte in die Schweiz zurück und legte los als erster Mitarbeiter von Google Schweiz. Das war im Jahr 2004. In den ersten Monaten diente meine kleine Wohnung in Erlenbach als Bürositz. Erst später wechselten wir nach Zürich. Zusammen mit Urs Hölzle, einem der ersten Mitarbeitenden von Google, suchten wir nach geeigneten Räumlichkeiten am Limmatquai, wo es schnellere Internetverbindungen gab.
«Wir fokussierten von Beginn an auf Performance-Marketing und Paid Google Ads»
2009 haben Sie sich trotzdem selbstständig gemacht. Wer hatte die Idee zur Gründung eines eigenen Unternehmens?
Hanan: Das war meine Initiative. Bei Google habe ich am Schluss die grossen Netzwerkagenturen betreut und habe realisiert, dass man das Digitalgeschäft wissenschaftlicher und datengetriebener abwickeln kann, als die meisten das getan haben. Das war der Moment, in dem ich mit Tobias in Kontakt trat. Da es noch kein WhatsApp gab, schrieb ich ihm eine SMS und lud ihn zu einem Kaffee ein. Nachdem ich ihm mein Projekt vorgestellt hatte, fragte ich ihn: «Tobi, bist du ready für ein Abenteuer?» Das war der Start von Webrepublic. Wir fokussierten von Beginn an auf Performance-Marketing und Paid Google Ads.
Woher kannten Sie sich?
Tobias Zehnder: Ich machte während meines Studiums ein Praktikum bei Google, und Tom war mein Vorgesetzter. Bevor ich mich auf unser Unternehmen einlassen konnte, beendete ich zuerst noch mein Studium. Für mich eröffnete sich mit der Gründung eines eigenen Unternehmens direkt nach der Uni eine grossartige Chance.
Trat der Erfolg sofort ein?
Zehnder: Ja, relativ schnell. Schon bald musste ich Tom überzeugen, dass wir zusätzliche Mitarbeitende einstellen müssen. Höchstwahrscheinlich war er der Ansicht, dass wir die ersten 100 Kunden zu zweit betreuen können (lacht).
Wie ist es Ihnen gelungen, in einer so neuen und sich schnell entwickelnden Branche Fuss zu fassen?
Zehnder: Ich kann mich gut erinnern, wie mich Tom fragte, ob ich die Search-Engine-Strategies-Konferenz in New York kenne. Ich verneinte. Also gingen wir hin. Das war für mich ein absolut prägendes Erlebnis. Wir wollten von Anfang an wissen, was global abgeht, und holten da Inspirationen. Dies unterschied uns von anderen Start-ups in der Schweiz. Damals waren das Internet und das Online-Marketing noch in den Kinderschuhen, Smartphones noch ein Nischenprodukt. Auch als wir die ersten Facebook-Kampagnen starteten, war dies für unsere Kunden absolutes Neuland, das Media-Budget betrug höchstens 2000 Franken.
Hanan: Unser Benchmark war vor allem zu Beginn das Ausland und weniger die Schweiz. Das war wirklich eine äusserst lehrreiche Zeit. Wir wollten Online-Marketing in all seinen Facetten verstehen. Auf dem Arbeitsmarkt hingegen gab es praktisch keine Leute, die dies auch anwenden konnten. Wir bewegten uns in einer Disziplin, die damals die wenigsten kannten und die sich permanent entwickelte. Da es noch keine Ausbildungslehrgänge gab, suchten wir Mitarbeitende, die wir selber ausbilden konnten. Vielfach verfügten sie über Talent, hatten aber keine praktischen Erfahrungen. Manchmal kontaktierten wir jemanden, bloss weil er einen eigenen Blog betreute. Gleichzeitig benötigten wir auch Kunden, die über eine Offenheit verfügten und uns auch die Chance gaben, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir waren in vielen Bereichen First Mover. Es macht mich schon stolz, dass wir heute schweizweit zu einem der führenden Partner von Meta, Facebook, Google oder TikTok geworden sind und als erste Schweizer Agentur einen Google Premier Partner Award gewonnen haben.
«Wir machen eine holistische Planung, in der wir auch Printprodukte berücksichtigen»
Gerade diese Techkonzerne stehen in der Kritik, dass sie vom hiesigen Werbemarkt ausschliesslich profitieren, ohne etwas zurückzugeben.
Hanan: Die grossen Technologieunternehmen fordern die Verleger permanent heraus, Produkte zu entwickeln, die für den Werbetreibenden auch einen Mehrwert generieren, was ich als positiven Aspekt sehe. Die Mad-Men-Zeiten in der Werbung und im Marketing sind definitiv vorbei. Heute verlangt der Kunde messbare Resultate und Effizienz. Google und Meta haben als digitale Grossplayer diese Trends bereits sehr früh erkannt und den Wandel aktiv vorangetrieben. Auch im lokalen Markt führte das in den letzten Jahren zu einer Verschiebung von Offline zu Online. Für uns ist wichtig zu sagen: Wir sind nicht mit Google oder Meta verheiratet, wir machen eine holistische Planung, in der wir auch Printprodukte berücksichtigen.
Ist das so?
Hanan: Ja, das ist so. Obwohl wir aus dem Digitalen kommen, setzen wir in unserer Planung auch die klassischen Medien TV, Print, Kino, Radio und Plakat ein.
Sie glauben auch an den Print, der oft schon totgesagt wurde …
Zehnder: Wir glauben vor allem an eine gute strategische Mediaplanung, wobei man immer seine Zielgruppe im Auge haben sollte. Die Schweizer Verlage sind für uns mittlerweile ebenso relevante Partner wie die internationalen Techkonzerne. Man darf niemals vergessen, dass wir einen fundamentalen Medienwandel hinter uns haben. So arbeiten wir heute auch viel stärker mit Schweizer Verlagen zusammen als noch zu unseren Anfangszeiten.
Warum setzen Sie als Digitalagentur plötzlich auf klassische Medien?
Zehnder: Eigentlich ist es ja nicht ganz intuitiv, dass eine Digitalagentur wie Webrepublic auf klassische Medien setzt. Wir haben aber realisiert, dass wir bei einer holistischen Budgetplanung keineswegs auf die klassischen Medien verzichten wollen, da es unser Anspruch ist, die Kunden in ihrer Zielgruppe optimal zu erreichen und die gesamte User-Journey zu verstehen. Was gleichzeitig bedeutet, dass sich unsere Mitarbeitenden nicht nur im digitalen Markt, sondern auch bei den klassischen Medien auskennen müssen. Ich kann den Stellenwert eines Digitalbudgets nur erkennen, wenn ich gleichzeitig etwas über den Wert von TV, Print, Radio, Kino oder Out of Home weiss. CMOs von grossen Werbeauftraggebern wollen sich nicht mit zehn verschiedenen Agenturen über ihr Werbebudget unterhalten. Wir haben aber bald gemerkt, dass die digitale Logik, bei der man den Wert einer Kampagne sichtbar macht und optimiert, offline genau gleich funktioniert wie online.
Hanan: Unser Ziel ist es, die relevanteste Kommunikation im richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Kanal auszuspielen – unabhängig davon, ob dieser digital ist oder nicht.
Zurück zum Jubiläum. Nun ist Webrepublic definitiv erwachsen geworden …
Hanan: (Lacht.) Ja, definitiv. Die 15 Jahre vergingen wie im Flug. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir ein so grosses Unternehmen werden. Ich hatte einmal vorlaut bei einem Weihnachtsessen versprochen: Sobald wir 30 Leute sind, werde ich mir unseren Stern aus dem Logo auf den Unterarm tätowieren lassen. Das ist, unter grossen Schmerzen und Gekreische, dann wirklich passiert. Mittlerweile sind wir sieben Mal mehr Mitarbeitende.
Das ausführliche Interview lesen Sie in der aktuellen persönlich-Printausgabe vom Oktober, die in diesen Tagen erscheint.