07.05.2025

SRF rec.

Redaktion gelobt Besserung nach Kritik an Neonazi-Doku

Die Ombudsstelle von SRF hält die Machart der «rec.»-Reportage über die «Junge Tat» für misslungen, sieht aber keine rundfunkrechtlichen Bestimmungen verletzt. Derweil gibt sich die Redaktion selbstkritisch.
SRF rec.: Redaktion gelobt Besserung nach Kritik an Neonazi-Doku
SRF bei den Neonazis: Reporter filmt die Leiter der «Jungen Tat» für eine «rec.»-Reportage. (Bild: Screenshot SRF)

Die Kritik liess nicht lange auf sich warten. Kaum hatte SRF am 24. März die «rec.»-Doku mit dem Titel «Die ‹Junge Tat› – Zwischen Rassismus und Meinungsfreiheit» veröffentlicht, hiess es in öffentlichen Kommentaren auf Social Media, der Film verharmlose rechtsextremes Gedankengut und biete Neonazis eine Plattform. In einem Protestschreiben fanden 200 Personen aus Medien, Kultur und Politik, die anonym bleiben wollten, SRF sei «in moralischer und politischer Hinsicht seiner Verantwortung nicht gerecht geworden».

Aber es gab auch Lob – das allerdings die Kritiker in ihrer Einschätzung nur bestätigte und die Redaktion kaum erfreut haben dürfte. So fanden die porträtierten Protagonisten der «Jungen Tat» und Gleichgesinnte den Film «richtig gut» und sahen ihn gar als «Werbespot».

Dass die jungen Rechtsextremen an diesem Porträt Gefallen fanden, überrascht nicht. Schliesslich kommen sie ausführlich zu Wort und konnten für Schlüsselszenen die Bedingungen diktieren, unter denen SRF zu berichten hatte, etwa bei einem Wanderausflug, den der Reporter begleiten durfte.

In den Tagen und Wochen nach der Veröffentlichung folgte eine kontroverse öffentliche Auseinandersetzung in den Medien mit der SRF-Produktion. So verteidigten in 20 Minuten zwei Experten die Machart der Dokumentation und sahen darin keine unkritische Plattform für Neonazis. «Es geht nicht um Verständnis, sondern ums Verstehen», wurde etwa Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss zitiert. Extremismusforscher Jérôme Endrass hält den Film für «differenziert und sachlich». Die Republik kam dagegen zur Einschätzung, dass es sich bei dem halbstündigen Film um einen «Dammbruch» handele. SRF sei auf die Kommunikationsstrategie der Neonazis hereingefallen und trage zur «Normalisierung einer rechts­extremen Gruppierung bei, deren explizites Ziel die eigene Normalisierung ist.» Die Süddeutsche Zeitung setzte grosse Fragezeichen hinter die Art und Weise, wie sich SRF hier einer rechtsextremen Gruppierung genähert hatte.

Redaktion weist Vorwürfe «entschieden zurück»

Wie nicht anders zu erwarten war, wandten sich zahlreiche Personen an die Ombudsstelle von Schweizer Radio und Fernsehen. Schliesslich lagen dort 62 Beanstandungen zur «rec.»-Reportage über die Neonazi-Gruppierung zur Beurteilung vor. Am vergangenen Freitag veröffentlichten die Ombudsleute ihren Schlussbericht. Darin kommt zuerst ausführlich die verantwortliche SRF-Redaktion zu Wort, die zur Kritik Stellung nehmen kann. Die in zahlreichen Beanstandungen vorgebrachten Vorwürfe, man habe eine extremistische Gruppe verharmlost und sich instrumentalisieren lassen, weist SRF «entschieden zurück». Der Reporter und Experten, ein interner Extremismusspezialist und ein Strafrechtsprofessor, hätten die Aussagen der «Junge Tat»-Mitglieder stets eingeordnet und den grösseren Kontext geliefert.

Zu ihrer Entlastung verweist die Redaktion zudem mehrfach auf die Experten Endrass und Wyss, welche die Dokumentation gegen Kritik verteidigten. Wyss machte das auch in einem Videobeitrag von «rec.» als Reaktion auf die Reportage, wo er seine Aussagen, die er gegenüber 20 Minuten gemacht hatte, wiederholt und ausführt.

In mehreren Punkten zeigten sich die Sendungsmacherinnen und -macher selbstkritisch und gelobten Besserung. So gestanden sie ein, dass Falschaussagen von «Junge Tat»-Mitgliedern nicht unwidersprochen, beziehungsweise nicht kontextualisiert hätten bleiben dürfen. Auch wolle man künftig darauf achten, «dass die Perspektive der Betroffenen, die in dieser Reportage vermisst wird, nicht untergeht». In Bezug auf die gewählte Machart, gesteht die Redaktion ein, «dass die Form der Reportage bei sehr kontroversen Themen eine enorme Herausforderung darstellt, um möglichst viele Perspektiven abzubilden und die nötige Kontextualisierung laufend vermitteln zu können». In Zukunft wolle man «ein besonderes Augenmerk auf mögliche Umsetzungsformen» legen.

Gebotene Distanz nicht gewahrt

Hier setzt auch die abschliessende Beurteilung der Ombudsstelle an. Sie stützt sich auf das Urteil des anonymen Protestschreibens, wonach SRF mit dieser Reportage «seiner Verantwortung in moralischer und politischer Hinsicht nicht gerecht geworden» sei. Das habe damit zu tun, schreiben die Ombudsleute, «dass ein Format wie ‹rec.› für die präzise Charakterisierung und Umschreibung einer solchen rechtsextremen Gruppierung wenig geeignet ist». Das äussere sich etwa darin, dass der Reporter die gebotene Distanz zu den Protagonisten vermissen liess.

Gerade mit Blick auf ein jüngeres Publikum, das «rec.» explizit ansprechen will, sei die Reportage «tatsächlich nicht geglückt». In verschiedenen Punkten sieht der Schlussbericht eine Verharmlosung der Rechtsextremisten. Etwa in einer längeren Sequenz mit einem Wanderausflug der «Jungen Tat», den der SRF-Reporter begleitet. «Es herrscht ‹Pfadi-Stimmung›», steht im Bericht der Ombudsstelle. «‹Harmlos›, denkt sich das Publikum». Politisch und historisch weniger bewanderte Zuschauerinnen und Zuschauer könnten die Neonazis sogar sympathisch finden, befürchten die Ombudsleute. Experte Jérôme Endrass hält dem entgegen, dass es nicht Aufgabe der Medien sei, Extremisten «künstlich schlechter darzustellen oder zu dämonisieren».

Stärkere Einordnung durch externe Experten gewünscht

Die kontextualisierende Einordnung der Aussagen, die SRF für ausreichend betrachtet, hält die Ombudsstelle dagegen für mangelhaft und hätte sich externe Rassismus- oder Extremismusexperten gewünscht. Das hätten nun andere Medien geleistet mit ihren Reaktionen auf die umstrittene Reportage.

Auch wenn der Schlussbericht deutliche Kritik an der «rec.»-Redaktion übt, hält die Ombudsstelle abschliessend fest, dass sie keine rundfunkrechtlichen Verstösse festgestellt habe, also weder eine Gewaltverherrlichung noch einen Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot.


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