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Abbau in den Regionen ist falsches Signal im falschen Moment

Den Anfang vom Ende sahen Betroffene und Beobachter bereits vor fünf Jahren. Im Oktober 2019 hatte die SRF-Spitze beschlossen, die regionalen Rubriken auf den Onlineplattformen einzustellen. Fanden sich damals auf srf.ch und in der News App Artikel und Beiträge für sechs deutschschweizerische Regionen von A wie Aargau bis Z wie Zürich, so sind sie seit Anfang 2020 verschwunden. Kritische Stimmen sagten damals: Was online nicht mehr existiert, wird irgendwann ganz verschwinden.

Seither hört man die regionale Berichterstattung für ein regionales Publikum nur noch in den Regionaljournalen am Radio, sowie als Stream und als Podcast. In der News App kommen regionale Themen nur noch dann vor, wenn sie ein breiteres Publikum ansprechen.

Mit dem aktuellen Sparprogramm geht es den Regionaljournalen gleich doppelt an den Kragen. Zum einen will SRF die regionalen TV-Korrespondentenstellen und die Redaktionen der Radio-Regionaljournale zusammenlegen, um damit Stellen zu sparen. Zum anderen sollen die Regionaljournale mit Ausnahme der Wahl- und Abstimmungswochenenden am Samstag und Sonntag eingestellt werden. Als Ersatz ist eine gemeinsam produzierte Sendung für die gesamte Deutschschweiz geplant.

SRF sieht die Sparmassnahmen als Beitrag zur «Effizienzsteigerung» und als Beitrag zur besseren Vernetzung von Radio, TV und Online. In der Realität bedeuten sie einen Leistungsabbau. SRF berichtet künftig weniger aus der Region für die Region. Das Unternehmen spart damit genau dort, wo auch die privaten Verlage den Rotstift ansetzen.

In den Kantonen Bern und Zürich, wo sich Tamedia mit seinen Zeitungstiteln allmählich aus der Fläche verabschiedet, käme den Regionaljournalen eine zunehmend wichtigere Rolle zu. Mit einer kontinuierlichen Berichterstattung auch aus den hintersten Winkeln der Kantone, vermögen sie bis zu einem gewissen Grad zu kompensieren, was die private Konkurrenz aus wirtschaftlichen Gründen immer stärker vernachlässigt.

Anders sieht die Situation im Mittelland, in der Zentral- und Ostschweiz aus. Hier ist CH Media mit seinen Medien noch stark in den Regionen präsent. Doch auch dort erfüllen die Regionaljournale eine wichtige Funktion: Wo ein einzelner Grossverlag die regionale Berichterstattung auf allen Kanälen dominiert, schafft das Angebot von SRF Vielfalt und bietet eine Auswahl. Unter diesen Vorzeichen steht der geplante Abbau quer in der Medienlandschaft.

Zwar fordern die Verbände der Privatmedien, die Präsenz von SRF in den Regionen zu beschränken. Aber die Redaktionen der Regionalmedien begrüssen den publizistischen Wettbewerb, für den auch SRF sorgt. Ausserdem gibt es keine Belege für die gerne kolportierte Behauptung, dass die private Konkurrenz profitiert, wenn SRF kürzertritt. Im Gegenteil: Private Medien können von einem starken öffentlichen (oder öffentlich-rechtlichen) Medienangebot profitieren, wie Zahlen aus Norwegen zeigten.

Angesichts der Ausdünnung des regionalen Medienangebots spricht vieles dafür, dass SRF hier nicht auch noch abbaut. Aber mit der News App als Hauptnachrichtenkanal und der geplanten Zusammenlegung der bisher getrennten Chefredaktionen Video und Audio/Digital haben die Regionaljournale einen schweren Stand, erst recht als reine Radiosendungen ohne digitales Entwicklungspotenzial. Ausserdem stehen die Regionaljournale konzessionsrechtlich auf einer schwachen Grundlage.

Dennoch wiegt der absehbare publizistische Verlust schwer, umso mehr, weil SRF in den Regionen jene Rolle erfüllt, die ihr selbst die grössten Kritiker zugestehen: das zu bieten, was sich aus dem freien Markt nicht (mehr) finanzieren lässt.


Nick Lüthi ist Redaktor von persoenlich.com.

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