14.08.2011
Matthias Ackeret
Diese Woche an einer Einladung des Werbevermarkters Publigroupe in Locarno: Der Wein ist ausgezeichnet, das Wetter traumhaft und das Tessin so schön, als entspräche es dem letzten Willen Nella Martinettis. Kurz vor dem Nachtessen zücken viele Gäste ihr iPhone und studieren die Börse. Wichtigste Erkenntnis: ausser den Börsenturbulenzen und dem harten Schweizer Franken existiert momentan kein anderes Thema. Fukushima ist weiter weg als das eigene Portemonnaie.
Eine Rezession trifft die Medienbranche erfahrungsgemäss weitaus härter als andere Sparten. Fehlende Inserate, vor allem im Stellenbereich, widerspiegeln die aktuelle Wirtschaftsentwicklung in Echtzeit. Das hat Auswirkungen auf die Aktienkurse. Von den Schweizer Medienhäusern sind momentan die Publigroupe, zu dem auch "persönlich" gehört, die Plakatgesellschaft Affichage, der Werbevermarkter Goldbach und das Medienhaus Tamedia an der Börse. Während der SMI seit Jahresbeginn um rund einen Fünftel eingestürzt ist, deutet sich auch bei den Medientiteln eine Trendwende an: So ist die Goldbach-Aktie um 30, diejenige von Tamedia um 10 Prozent eingebrochen. Nur die Affichage-Papiere blieben gleich, während die Publigroupe-Aktien mit 19 Prozent noch im Plus liegen. Da die Aktienvolumen meist klein sind, kann man mit wenigen Verkäufen oder Käufen den Aktienkurs deutlich beeinflussen: in guten Zeiten nach oben, in schlechten aber nach unten. Momentan sagt dies aber noch nichts über den Zustand einer Firma aus: so wies Goldbach am Freitag für die letzten Monaten ein sehr gutes Geschäftsergebnis aus. Bei den anderen börsenkottierten Firmen ist es nicht anders.
Das international grösste Verlagshaus, Ringier, ist immer noch in Familienbesitz. Auch sonst gibt man sich antizyklisch. Am traditionellen "Dinner republican" zeichnete Vordenker Frank A. Meyer Ex-Aussenminister Genscher für seine europapolitischen Verdienste aus; Griechenland und Folgen mit inbegriffen. Der Preis hat für den Geehrten zwei Seiten. Die gute: das Preisgeld beträgt 50'000, die schlechte: das Ganze ist in Euros.
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Harte Börsenrealität für Schweizer Medien