Der Bundesrat marschiert in Zweierkolonne
Ich zitiere den Tagi:
Der Fotograf Alex Spichale hat das Konzept nach den Wünschen von
Bundespräsidentin Doris Leuthard entwickelt und realisiert. Micheline
Calmy-Rey hatte in ihrem Präsidialjahr 2007 den Bundesrat auch schon in
Bewegung gesetzt.
Damals schritt jedoch das Gremium entschlossen und voller Tatendrang direkt
auf den Betrachter zu.
Das Bundesratsfoto 2010 wurde in einer Auflage von 70'000 Exemplaren
produziert und liegt an allen Logen des Bundeshauses sowie im Polit-Forum
Käfigturm auf. Ab dem 4. Januar kann es über das Internet bestellt oder
unter Beilage einer adressierten Klebeetikette per Post kostenlos bezogen
werden.
Falsches Bild verschickt
Eine Panne gab es bei der Verteilung des Fotos in elektronischer Form an die
Medien. Die Bundeskanzlei verschickte versehentlich eine CD mit einem
falschen Foto.
Es handelte sich um ein ähnliches Bild, doch zeigte es den Bundesrat aus
einer leicht anderen Perspektive, wie die Bundeskanzlei mitteilte. Das
richtige Bild wurde im Verlauf des Donnerstags nachgeliefert. (bru/sda)
Kommentar:
Schon einmal hatten wir eine dynamische Aufnahme bei der offiziellen
Bundesratsfoto. Eine Regierung, die sich bewegt, die gemeinsam nach vorne
schreitet. Nun sehen wir wiederum einen Bundesrat der aktiv ist, dieses Jahr
in Kolonne, geordnet in Paaren. Ein Wunschbild oder das Ziel der neuen
Bundespräsidentin? Alle sollen im neuen Jahr in der gleichen Richtung
marschieren. Einigkeit macht stark. Vorwärts marsch!
Gegenüber der letzten Foto mit dem Bundesrat, der auf das Volk zukommt,
schreitet er dieses Jahr am Betrachter (Volk?) vorbei? Bedeutet diese
Parade, dass im neuen Jahr der Bundesrat neben dem Volk politisieren möchte?
Bei der Zusammenstellung der Paare fällt auf, dass die SVP (Maurer) mit der
parteipolitischen Kontrahentin (Widmer-Schlumpf) ein Paar bildet. Auch die
Gegenspieler, die zwar an einer Medienkonferenz Einigkeit vorgegaukelt
hatten (Calmy-Rey und Merz) wollen dieses Jahr zusammen marschieren. Die
Kolonne wird angeführt von der Bundespräsidentin mit dem Vizepräsidenten
(Leuthard und Leuenberger)
Erstmals gibt es geschlechtsspezifisch eine Pattsituation. Total hat es vier
Paare. Jeweils eine Frau und ein Mann. Nur im letzten Glied befindet sich
der Mann auf der rechten Seite (Hierarchie hat hier Vorrang). Da schreitet
der neue Bundesrat Burkhalter rechts neben Bundeskanzlerin Casanova.
Zum Hintergrund:
Das Bundeshaus ist mit einer Rastergrafik verfremdet. Das Regierungsgebäude
leuchtet in purem Gold? Heisst das, dass die Bundesräte vom Gold träumen,
die der Bund verschachert hat?
Zur Körpersprache:
Früher hatten einige Bundesräte (Nicht nur Leuenberger) Probleme mit dem
Lächeln. Dieses Jahr - im Krisenjahr - gelang es dem Fotografen, die ganze
Regierung zu einem einheitlichen Lächeln zu bewegen. Zweckoptimismus? Bei
allen alten Aufnahmen war es jeweils spannend, die Haltung der Arme zu
beschreiben. Micheline Calmy- Rey meist mit verschränkten Armen. Die Herren
vielfach eine Hand in der Hosentasche und oft versteckten Bundesräte ihre
Händen hinter dem Rücken.
Dank des Aufmarsches in Zweierkolonne lässt sich aus der Armsprache nichts
mehr ablesen. Arme und Hände sind genormt - wie bei den Soldaten an einem
Defilée.
Noch eine Prise Farbpsychologie?
Während früher bei den Kleidern das Schwarz dominiert hatte, setzen diese
Jahr die Damen farbliche Akzente: Aussenministerin Micheline Calmy-Rey
erinnert mit der Farbe Violett an die Farbe der Feministinnen. Das Pink der
Bundeskanzlerin Corina Casanova dominiert und macht bewusst: Ich habe auch
noch etwas zu sagen. Sie trägt kein Rot (wäre zu aggressiv) sondern Pink
(wirkt gemässigter). Das klassische Deux-Pieces der Justizministerin Eveline
Widmer-Schlumpf ist nachtblau. Diese Farbe macht bewusst, dass sie sich
erhofft - dank dieser klassischen Farbe - gekoppelt mit einer seriösen
Arbeit - trotz schlechter Konstellation der Sterne am Wahlhimmel - dank
eines Wunders - später doch noch wiedergewählt zu werden. Die
Bundespräsidentin im beigen Mantel schützt sich. Beige - eine Farbe, die
Erdverbundenheit assoziert. Den Mantel trägt sie offen. Dies signalisiert
Zuversicht und Offenheit.
Gesamteindruck:
Wenn es nicht nur dem Fotografen oder Doris Leuthard zu verdanken ist, so
hat vielleicht Ueli Maurer bei dieser Aufnahme als Verteidigungsminister
auch etwas beigetragen. Denn, der Auftritt ist militärisch genormt:
- mit der Zweierkolonne
- dem Gleichschritt
- der synchronen Haltung
- dem einheitlichen Lächeln
Wir sehen bei der neuen Aufnahme einen Bundesrat vor uns - in einer Polit
-Rekrutenschule - einer Schule zum Teamverhalten mit dem Willen künftig nach
Aussen einheitlich aufzutreten.
Es bleibt zu hoffen, dass von diesem Wunschdenken 2010 auch etwas umgesetzt
werden kann.
Wer weiss, wenn vorn Doris Leuthard - nach dem Vorsatz - zieht und hinten
der neue Innenminister nachhilft, könnte das Unterfangen des gemeinsamen
Politisierens, künftig doch noch Erfolg haben.
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