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Datenschwund auf der Beschaffungsplattform

Die Beschaffungsplattform simap.ch enthält wertvolle Informationen für recherchierende Journalistinnen und Journalisten. Hier finden sich Ausschreibungen der öffentlichen Hand mit umfassenden Angaben zu Umfang und Kosten der Projekte. Allerdings werden einige dieser Informationen nun verschwinden.

Im Zuge eines Relaunches hat der Verein simap.ch, der die Plattform betreibt, zwar die Informationen zu den Tausenden von Beschaffungsgeschäften von Bund, Spitälern, Kantonen und Gemeinden auf die Archivversion archiv.simap.ch (bis 31.3. ist das Archiv noch unter old.simap.ch verfügbar) migriert, aber nicht vollständig. Statistiken, Inhalte von Frage-Antwort-Foren, Anbieterlisten, Ausschreibungsunterlagen, Logfiles werden nicht gezügelt und archiviert, wie Inside IT berichtet und der Verein simap.ch auf Anfrage bestätigt. Das stellt eine erhebliche Erschwernis für Medienschaffende dar, die zu Beschaffungen des öffentlichen Sektors der letzten Jahre recherchieren.

Zwar war es schon vorher üblich, dass simap.ch die Unterlagen je nach Verfahren einige Zeit nach einem Zuschlag entfernte – obwohl nach den AGB alle Unterlagen eigentlich archiviert bleiben sollen. Ein langer Archivierungszeitraum wäre wichtig. Bei Zuschlägen wie etwa der Vergabe des Public-Cloud-Auftrags der Bundesverwaltung im Jahr 2022 an amerikanische und chinesische Big-Tech-Firmen konnten Medienschaffende bisher rückwirkend die Unterlagen des Jahres 2021 herunterladen. Und diese Informationen als Ausgangspunkt für eine weitere Recherche nutzen.

Der Verein simap.ch handelt mit der unvollständigen Migration nicht widerrechtlich. Das Öffentlichkeitsgesetz regelt nicht die aktive Publikation, sondern nur den passiven Zugang zu Informationen. Das bedeutet: Dokumente zu alten Beschaffungsgeschäften von 2009–2024 müssen nun mit mühsamen BGÖ-Gesuchen herausgefordert werden. Dass sich dies über Monate hinziehen kann und in eine Sackgasse führt, habe ich bei meiner Recherche rund um den IT-Lieferanten Xplain erlebt. Sämtliche Beschaffungsunterlagen waren plötzlich ganz tabu oder von Schwärzungen betroffen, weil sie Teil einer behördlichen Untersuchung waren. Bei längeren Verfahren, die über die Frist von 21 Tagen hinausgingen und sich wegen Verweigerungstaktiken der Behörden wochenlang hinzogen, geht dann schnell mal das Momentum für eine potenzielle Enthüllung verloren. Und die spät herausgelösten Unterlagen sind dann Schnee von gestern.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Das Institut Public Sector Transformation der Berner Fachhochschule (BFH) hat die Unterlagen von simap.ch systematisch abgegrast und bietet nun auf ihrem eigenen Portal intelliprocure.ch alle Beschaffungsgeschäfte bis und mit ins Jahr 2009 zurück an. Medienschaffende erhalten einen Gratisaccount.

Eine Initiative einer Fachhochschule greift also den Medienschaffenden unter die Arme. Eigentlich sollte das simap.ch selbst leisten, schliesslich handelt es sich hier um die gemeinsame Plattform von Bund und Kantonen zum Beschaffungswesen. Und die dort publizierten Informationen sollten eigentlich für immer verfügbar bleiben.


Adrienne Fichter ist Tech-Reporterin beim Magazin Republik und beim Techjournalismusblog DNIP.ch.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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