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Lebrument vs. Schawinski – das Wesentliche

Demnächst wird das Bundesverwaltungsgericht das Revisionsgesuch von Roger Schawinski und Stefan Bühler behandeln, mit dem die beiden die ihnen von Bundesrat Albert Rösti zugesprochene Konzession für ihr Radio Alpin Grischa im Sendegebiet Graubünden–Glarus–Sarganserland zurückholen möchten. Rösti hatte ihrem Konzessionsgesuch gegenüber jenem der Familie Lebrument (Südostschweiz Radio AG) bei der obligatorischen Neuausschreibung den Vorzug gegeben. Zuvor hatte diese Konzession drei Jahrzehnte lang das Medienhaus Somedia der Familie Lebrument innegehabt. Über Röstis Entscheid geschockt, reichte diese beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein und erhielt teilweise recht. Die Konzession wanderte zurück zur Somedia. Den Ausschlag gab dabei ein Nebenpunkt, nämlich die sogenannte 3:1-Regel, das Zahlenverhältnis, wonach einer Praktikantenstelle drei Redaktionsstellen gegenüberstehen müssen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wurde wegen dieses formalistischen Massstabs in den Medien schon mehrfach kritisiert, etwa durch die Anwältin Mirjam Teitler oder durch den Juristen Roger Huber.

Warum braucht es überhaupt Konzessionen für Radiosender? Und was ist das Wesentliche dabei?

Wer in der Schweiz Radio machen will, muss sich eigentlich beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) nur anmelden und braucht keine Konzession, es sei denn, man möchte Anteile aus dem Abgabenkuchen ergattern (Gebührensplitting). Kommerzielle Radios können Abgabenanteile erhalten, wenn sie in wirtschaftsschwachen Regionen senden, in denen die Werbeerträge für ihre Finanzierung zu gering wären. Nicht gewinnorientierte, komplementäre Radios können Abgabenanteile erhalten, wenn sie in Agglomerationen eine Alternative zu den anderen Programmen bieten. Für diese zwei Radiotypen braucht es eine Konzession. Das Bakom, das die Konzessionsgesuche sichtet, prüft sie nach einem sehr sorgfältig aus dem Gesetz abgeleiteten Kriterienraster und bereitet so die Konzessionsentscheide für den Medienminister vor. Entscheidend ist, dass dabei trotz all der Details das grosse Ganze nicht aus den Augen verloren wird.

Was ist das grosse Ganze? Der Schweizer Gesetzgeber wollte mit dem Gebührensplittung privaten Veranstaltern Raum geben und den Wettbewerb mit der SRG fördern. Mit der Konzession wollte er sicherstellen, dass auch die privaten Radiosender einen (regionalen) Service public leisten, indem sie einen Leistungsauftrag erfüllen. Sie sollen also in ihrer Region die politische Meinungs- und Willensbildung ermöglichen und zur kulturellen Entfaltung beitragen. Im Fall von Graubünden sollen sie nachweisen, dass sie auch rätoromanische und italienische Sendungen ausstrahlen. Das ist das Wesentliche und das wäre wichtiger als der Streit um die Frage, ob die 3:1-Regel wie auch immer eingehalten wird. Es wäre zu hoffen, dass auch das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung des Revisionsbegehrens diesen Blick auf das Wesentliche nicht verliert und sich nicht im Klein-Klein erschöpft.



Roger Blum ist emeritierter Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bern.

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