Es ist ein bemerkenswerter Tag: Wenige Minuten nachdem die SRG am Donnerstagmorgen bekanntgibt, dass sie Ende Jahr aus UKW aussteigen wolle, verkündet SRF am Leutschenbach einen Stellenabbau von 70 Personen. Ein Schelm, der Böses denkt. Ein Schelm aber auch, der sich an die «200 Franken sind genug»-Initiative erinnert, über welche in zwei Jahren abgestimmt wird.
Zudem – um die Verschwörungstheorie ganz zu vervollständigen – hat der Bundesrat erst vor wenigen Tagen eine Gebührensenkung auf 300 Franken bekanntgegeben. Obwohl die SRG-Verantwortlichen einen Zusammenhang dementieren, steht bei beiden Entscheiden ein Ziel im Vordergrund: das Sparziel. Beim Wechsel auf DAB ist es der Abbau der teuren UKW-Infrastruktur, bei einem Personalabbau das Senken der Lohnkosten.
Ob die Schweiz wirklich in einem radiophonen schwarzen Loch verschwinden wird, wie Radiopionier und UKW-Befürworter Roger Schawinski in verschiedenen Interviews prophezeit, kann man in Bälde überprüfen. Jedenfalls wage die SRG mit ihrem Vorpreschen bei der UKW-Abschaltung einen mutigen Schritt, so der Duktus der Lokalradioverbände, indem sie – ohne dies weiter auszusprechen – das UKW-Feld für einige Monate vollkommen den privaten Sendern überlasse. Gerade bei älteren Leuten, die noch nicht DAB-affin sind, besteht nämlich die Gefahr, dass sie – anstatt zu ihrem SRG-Sender auf DAB zu wechseln – neu ein Privatradio auf UKW suchen.
Vielleicht war die SRG bei dieser Entscheidung auch vom französischen Präsident Emmanuel Macron inspiriert, der auch vorpreschte, indem er Neuwahlen ankündete, nun aber befürchten muss, dass ihm dieser «mutige» Entscheid vom Wahlvolk um die Ohren geschlagen wird. Schwierig dürfte es vor allem für die grenznahen Sender in der deutschen oder welschen Schweiz werden, die sich schon bald mit UKW-Konkurrenz aus dem Ausland konfrontiert sieht. Im Gegensatz zu den Schweizer Radios senden die bayerischen und baden-württembergischen Radios entgegen der ursprünglichen Ankündigung weiterhin auf der vermeintlich veralteten Technologie.
Doch so weit sind wir noch lange nicht. Zuerst wird die SRG Ende des Jahres einmal vorpflügen und anhand der Realität aufzeigen, ob man durch den DAB-Wechsel wirklich Hörerinnen und Hörer verliert oder nicht. Wenn nicht, hat sich das Experiment gelohnt. Wenn ja – wie Schawinski und viele Kommentarschreiber befürchten –, spielt man den Befürwortern der «200 Franken sind genug»-Initiative einen willkommenen Steilpass zu, indem man dem eigenen Publikum (und auch Stimmvolk) den Zugang zu ihren eigenen Service-Public-Sendern aufgrund neuer Technologien ohne Not erschwert.
Sollten alle Stricke reissen, wäre Birgit Steinegger sicherlich wieder zur Stelle. Die bekannte Schauspielerin propagierte 1978 als UKFee publikumswirksam den Wechsel von Mittelwelle auf UKW. Das war der Auftakt ihrer grossartigen Karriere. Als geübte Schauspielerin könnte sie 46 Jahre später problemlos den Start ins gelobte DAB-Zeitalter ankünden. Oder – im schlechteren Fall – die Rückkehr zu UKW.
Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von persönlich und persoenlich.com.
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12.07.2024 08:12 Uhr
01.07.2024 08:15 Uhr
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Macron inspiriert SRG